Kleiner Kummer Großer Kummer
ob sie mit seiner finanziellen Unterstützung rechnen konnte. Außerdem wollte ich erreichen, daß sie sich ihnen schnellstens anvertraute. Es war keine schöne Situation, um allein damit fertig zu werden, vor allem mit achtzehn.
»Ganz wie Sie meinen«, sagte Tessa und stand auf, »und vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich weiß, daß alles mein Fehler war, und ich kann von niemandem erwarten, daß er eine unsichtbare Wand vor mich schiebt und mich aus der Patsche zieht. Und ich wollte ja vor allem die Gewißheit haben, daß es mit dem Baby stimmt.« Sie setzte ihre dunkle Brille auf und sagte scheu: »Ich verstehe noch nichts von Babys.«
Als sie ihr Kopftuch wieder umgebunden hatte und gegangen war, dachte ich, daß es schade sei, daß ich in einem Fall wie Tessa nicht wirklich eine unsichtbare Mauer um sie ziehen konnte.
Ich machte gelegentlich die Vertretung für die drei Ärztinnen in unserem Distrikt. Eine der Nachrichten, die Sylvia für mich aufgenommen hatte, war der Besuch bei einem Patienten von Doktor Phoebe Miller. Es war ein alter Mann, der über Brustschmerzen klagte.
Das Haus war ein großer, altmodischer Kasten in einer der Straßen, in denen die reicheren Einwohner unseres Distriktes lebten. Die meisten dieser Häuser waren frisch gestrichen und hatten gut gepflegte Einfahrten, in denen der große, glänzende Wagen Nummer eins stand, wenn der Herr zu Hause war, oder der kleine, leicht zu parkende Wagen Nummer zwei, der Madam zum Einkäufen bringen sollte. Manchmal warteten beide, wie Mutter und Kind, geduldig vor der Haustür. Nummer sechzehn, die Mr. Pompey Lodwick gehörte, stach von allen anderen ab, hauptsächlich weil das Haus vernachlässigt aussah, weil in der Einfahrt Grasbüschel wuchsen und weder Wagen Nummer eins noch Nummer zwei zu sehen war.
Ich war überrascht, als die Tür von einer jungen, im hellsten Ton gefärbten Blondine geöffnet wurde, die aussah, als sei sie der zweiten Reihe des Ballettkorps entsprungen. Sie rauchte eine Zigarette in einer glänzenden Spitze und schien überrascht, mich zu sehen.
»Ja?« fragte sie.
»Ich bin der Arzt.«
Sie strich sich über das Haar, leckte ihre Lippen und lächelte. »Ich hatte die Dame erwartet.«
»Doktor Miller hat heute ihren freien Tag; ich vertrete sie«, erklärte ich. »Mr. Lodwick ließ mich rufen.«
»Kommen Sie«, forderte sie mich auf; »ich bringe Sie zu dem alten Kerl.«
Sie führte mich in ein großes Zimmer, in dem die Vorhänge zugezogen waren, so daß nur ein schwacher Schimmer des Tageslichts hereinfiel; die Möbel waren mit Tüchern abgedeckt, und alles roch muffig.
»Tut mir leid«, sagte sie, »aber der knickerige, alte Bussard wünscht nicht, daß sein Teppich gefegt wird oder sich jemand auf seine Stühle setzt.« Sie schüttelte sich. »Manchmal wundere ich mich, warum ich hier kleben bleibe.«
Sie ließ mich allein, und ich ging umher und betrachtete verstaubte Meißener Schäferinnen und vergilbte, alte Zeitschriften. Ès war sehr bedrückend. Als ich aufblickte, stand er neben mir.
»Ich verstand, daß es sich um Ihre Brust handelt«, begrüßte ich ihn, indem ich mein Stethoskop herausnahm. »Darf ich Sie einmal abhören?« Ich wies auf das verhüllte Sofa, damit er sich dort hinlegen sollte, und ging, um die Vorhänge aufzuziehen, damit ich sehen konnte, was ich tat.
»Nein!« schrie der alte Mann. »Mein Teppich!«
»Nun gut«, gab ich mich darein und ging, um das Licht anzuschalten.
»Mein Gott!« stöhnte er, »sind Sie verrückt. Es ist draußen helles Tageslicht. Wissen Sie nicht, daß die Elektrizität Geld kostet?«
»Nun, entweder das eine oder das andere!« Da ich langsam wütend wurde, zog ich die Vorhänge zurück, so daß ich am aufwirbelnden Staub fast erstickte.
Dem alten Mann fehlte kaum etwas, aber ich sagte ihm, daß ich einen Hustensaft verschreiben wolle, um den rauhen Hals zu beruhigen, und begann ein Rezept auszustellen.
»Sie verschwenden nur Ihre Zeit«, rief mir die Blondine zu, die in verführerischer Stellung an der Tür lehnte und mich beobachtete. »Er holt es doch nicht, ganz gleich, was Sie ihm verschreiben.«
»Warum nicht?«
»Der Schilling.«
»Das ist seine Sache,« erklärte ich, bestrebt, aus der Spinnweb-Atmosphäre zu entfliehen, und steckte ihm das Rezept in die Hand. »Nehmen Sie dreimal am Tag zwei Teelöffel voll.« Nachdem ich so meine Pflicht erfüllt hatte, steckte ich meine Feder fort. Pompey Lodwick hörte nicht zu, sondern rollte
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