Kleiner Kummer Großer Kummer
sorgfältig mein Rezept zu einem dünnen Fidibus zusammen.
»Für das Gas«, erklärte Blondchen.
Mr. Lodwick schlurfte in seinen fadenscheinigen Pantoffeln zum Kamin, um den Fidibus sorgfältig auf den Sims zu legen. »Vielleicht haben Sie nichts dagegen, mir meine Brille von oben zu holen«, wandte er sich an Blondchen. Sie zwinkerte mir zu und ging hinaus.
»Ich werde auch gehen«, sagte ich und schloß meine Tasche.
Später am Abend rief ich Doktor Miller an, um ihr über den Patienten zu berichten, den ich für sie besucht hatte.
»Das war ja ein schrecklicher alter Mann, zu dem Sie mich da geschickt haben, dieser Mr. Lodwick. Geht es ihm wirklich so schlecht, wie man es annehmen muß?«
Phoebes Lachen zerriß fast mein Trommelfell. Ich hielt den Hörer fort, bis sie sich beruhigt hatte. »Pompey Lodwick«, rief sie, »arm? Mein lieber junger Mann, ihm gehört praktisch der ganze Bezirk.«
»Nun«, bemerkte ich abschließend, »ich hoffe, daß er nicht noch einmal an Ihrem freien Tag krank wird.«
13
Ich wollte gerade in meinen Wagen einsteigen, um mit meinen Vormittagsbesuchen zu beginnen, als ich das vertraute, achtzylindrige, heisere Brummen von Archibald Comptons Allard die Straße herunterdröhnen hörte. Entschlossen, das wohlbekannte, leutselige Winken des gelben Strickhandschuhs zu ignorieren, beschäftigte ich mich mit einigen Elastoplastdosen auf dem Rücksitz. Zu meiner Überraschung hielt der Allard hinter mir, und Compton - ganz Haarpomade und Lächeln - steckte seinen Kopf durch das offene Fenster in meinen Wagen.
»Morgen«, grüßte er leutselig; »ich wollte Sie schon anrufen.«
»Oh! ja?« Ich sah nach, ob noch etwas Elastoplast in einer leeren Dose war.
»Ein kleines Mädchen suchte mich auf. Wollte auf meine Liste übertragen werden. Sagte, sie wüßte, daß Sie nichts dagegen hätten.«
»Wer ist es?« fragte ich und überlegte, welches kleine Mädchen ich in der letzten Zeit beleidigt haben könnte.
»Eine Miss Trotter.«
»Ach! die!« Ich hätte mir denken können, daß er ein großes kleines Mädchen meinte.
»Ja, ich würde es nicht erwähnt haben, wenn sie nicht eine Geschwulst in der Brust gehabt hätte. Ich habe sie für heute nachmittag bei Scriven zur Untersuchung angemeldet.«
»Eine Geschwulst in der Brust?« Jetzt wurde ich aufmerksam. »Ich habe sie noch nie untersucht, da sie nie über irgend etwas geklagt hat.«
Archibald Compton untersuchte sorgfältig seine Handschuhe.
»Das ist seltsam«, meinte er; »sie erzählte mir, daß sie Sie nicht nur in Ihrer Sprechstunde aufgesucht hätte, sondern, daß Sie auch in >ständiger Verbindung< gewesen seien.«
Er wartete auf eine Erklärung.
»Sie spinnt«, sagte ich, indem ich den Starter zog; »sie bildet sich ein, daß sie mich liebt.«
»Oh!« entgegnete Compton. »Wie seltsam. Sie sagte mir, daß sie Ihren Anblick nicht ertragen könnte.«
Ich zuckte die Schultern und startete noch einmal, nachdem sich beim ersten Mal nichts gerührt hatte. »Ich muß mich beeilen«, unterbrach ich ihn, obschon der Motor meines Wagens nach einigem Stottern wieder erstarb. »Renée Trotter tut mir leid, und Ihnen viel Vergnügen mit dieser Patientin.«
Als mein Wagen endlich abfuhr, sah er mir mit traurigem Blick nach. Ob er sich meinetwegen Sorgen machte wegen meiner medizinischen Unzulänglichkeit oder wegen meiner Einbildung, daß alle meine jungen Patientinnen in mich verliebt seien, weiß ich nicht. Mit den Gedanken bei Renée Trotter hatte ich wieder vergessen, ihn nach der Hart-Familie zu fragen. Nach einer Begegnung mit Doktor Compton fühlte ich mich immer gereizt und verwirrt. Ob das seine überlegene Art machte oder seine ruhige Gewißheit, daß er in unserem Bezirk gut vorankam, weiß ich nicht, aber bei jedem unserer kurzen Zusammentreffen schien ich an Boden zu verlieren.
Ich machte meine Besuche mit häufigen Blicken auf die verschiedensten Uhren an Wänden und auf Kaminsimsen, mit meinen Gedanken immer halb bei Sylvia. Sie machte mir in letzter Zeit etwas Sorgen, da sie häufig Kopfschmerzen hatte, die - wie sie mir sagte - recht unangenehm waren, so daß ich im Hinblick auf ihren erhöhten Blutdruck nicht recht zufrieden mit ihr sein durfte. Sie lachte mich aus, daß ich sie in gewissen Abständen mit meinem Blutdruckmesser verfolgte. Das Ergebnis erfuhr sie nicht, und ich sagte ihr auch nicht, daß ich es keineswegs für eine lächerliche Angelegenheit hielt. Heute vormittag hatte ich sie zu einer
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