Kleiner Kummer Großer Kummer
Ratschlägen übergaben, die aus ihren eigenen, meistens fürchterlichen Erfahrungen über das Kinderkriegen stammten. Und ich wurde zur Zielscheibe der ungewöhnlich hohen Anzahl von Herren unter meinen Patienten, die Versicherungen vertraten.
»Aber Doktor, Sie müssen jetzt für die Zukunft Ihres Kindes vorsorgen...«
»Doktor, wenn Sie diese geringfügigen Prämien jetzt bezahlen, wird in zwanzig Jahren...«
»Doktor, Sie müssen Ihr Leben versichern. Was soll aus Ihrer Frau und Ihrem Kind werden, wenn...«
»Diese Ausbildungsversicherung bringt Ihnen...«
»Diese Schulgeldrechnungen, Doktor. Und dann möchten Sie doch auch, daß er auf die Universität geht...«
Ich hörte aufmerksam zu und fühlte, wie das letzte Überbleibsel meiner Jugend dahinschwand. Wenigstens eine Stunde lang war ich nach diesem Trommelfeuer immer ganz niedergeschlagen; meine normalerweise fröhliche Laune verschwand bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn ich tot umfiele, für immer gelähmt würde oder eine unheilbare Krankheit bekäme. Sylvia und das arme, vaterlose Kind begannen mir sehr leid zu tun.
Endlich rangen sie mich nieder, und nach vielen Vorwänden und Ausflüchten schloß ich schließlich zu meiner Selbstverteidigung eine kleine Lebensversicherung ab, außerdem eine Versicherung, die mich für den Fall schützte, daß ein Patient in meinem Wartezimmer ausrutschte und sich ein Bein brach; und eine weitere, die mich dagegen versicherte, daß ich durch einen Golfball niedergestreckt wurde. Nach diesen Vorsichtsmaßregeln vergaß ich die ganze Angelegenheit schnell und fiel fast in meine frühere, sorgenfreie Stimmung zurück.
Eine andere Nebenerwerbsquelle, die ich mir nun anzuzapfen erlaubte, war die Verabreichung von Lachgas bei den Patienten meines Freundes Loveday. Er hatte mir die Chance, seine Narkosen zu übernehmen, angeboten, als ich zuerst meine Praxis eröffnete. Ich hatte es abgelehnt, weil ich nie gern Narkosen gegeben hatte. Im Hinblick auf meine wachsenden finanziellen Verpflichtungen beschloß ich, daß es an der Zeit sei, meine Abneigung zu überwinden. Loveday war überrascht, als ich ihn anrief.
»Aber, mein lieber Junge«, staunte er, »Sie sagten mir doch, daß Sie diese Arbeit haßten. Wie kommt es, daß Sie Ihre Meinung ändern?«
»Das liebe Geld«, erklärte ich.
Loveday lachte. »Übrigens war es gut, daß Sie gerade jetzt anru-fen. Mein früherer Narkotiseur zieht nach Devon. Ich wollte eben diesen Compton fragen, ob er es übernehmen wollte.«
»Um Himmels willen!« rief ich aus. »Das können Sie doch nicht tun!«
»Nun gut«, sagte mir Loveday zu. »Ich werde Sie anrufen, wenn ich etwas habe.«
Zwei Wochen später rief mich seine Sprechstundenhilfe an, um mir mitzuteilen, daß Mr. Loveday meine Hilfe bei einer einfachen Extraktion brauche.
16
Es war am Tage vor dem Golfturnier, das durch Mr. Pipers Firma, Credo-Medicals Ltd., veranstaltet wurde, als ich meine erste Narkose für Loveday machte. Im Hinblick auf meine frühere Weigerung war ich überrascht, daß er mich überhaupt bat, ihm zu assistieren. Aber Loveday war schließlich ein gutmütiger Kerl. Es lag nicht an meinem technischen Unverständnis, obgleich ich seit meinem Examen kein Lachgas mehr gegeben hatte, aber ausgerechnet bei dieser ersten Gelegenheit war ich ein bißchen zu langsam, was ziemlich unglückliche Folgen hatte.
Die Patientin war eine Frau mittleren Alters, die sich vier Zähne ziehen lassen wollte; drei auf einer Seite ihres Mundes und einen auf der anderen.
Als die Patientin bequem in ihrem Stuhl saß, befestigte ich die Maske, und indem ich das Gas einschaltete, bat ich sie, tief durch die Nase ein- und auszuatmen. Allmählich veränderte sich ihr Atem und wurde automatisch. Ich betrachtete ihre Pupillen, kontrollierte ihre Farbe, und als alles in Ordnung schien, schaltete ich das Oxygen ab und sagte Loveday, daß ich fertig sei und er mit der Extraktion beginnen könne.
Während der Entfernung der ersten drei Zähne ging alles gut. Loveday zog sie mit geübter Schnelligkeit und scheinbar müheloser Gewandtheit. Dann begann er, die Klammer, die den Mund der Patientin offenhielt, zu verschieben, um an den vierten Zahn in der anderen Seite des Mundes herankommen zu können. Die Klammer rutschte ab, und der Mund der Frau schloß sich halb.
»Ich brauche den Mason-Retraktor«, sagte Loveday hastig, indem er mir seine Hand herstreckte. »Dann können Sie mir ihren Mund offenhalten, während
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