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Kleiner Kummer Großer Kummer

Kleiner Kummer Großer Kummer

Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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gar nicht, warum du dir um all das soviel Gedanken machst«, knurrte ich, meine unsichtbare Pinselarbeit bewundernd. »Die meisten meiner Patienten stecken ihre Babys in einen alten Wäschekorb zum Schlafen und baden sie im Küchenausguß. Ich glaube, diese schreckliche Ecke da ist mir gut gelungen, findest du nicht auch?«
    Als Sylvia nicht antwortete, drehte ich mich zu ihr um. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht. In den nächsten zehn Minuten erfuhr ich, daß ich nicht nur herzlos, gedankenlos und dumm sei, sondern der größten Gefühllosigkeit und Widerwilligkeit gegenüber den unvermeidlichen Bedürfnissen unseres erwarteten Neuankömmlings angeklagt wurde. Eins nach dem andern gelang es mir, meine hastig herausgestoßenen Worte zurückzuholen, und endlich wurde mir, inmitten der hoppelnden Hasen, bedingungslos verziehen. Schon vor langer Zeit war mir die Tatsache bewußt geworden, daß ich noch viel über die Frauen und die Ehe lernen mußte, und ich hatte gedacht, daß ich recht gute Fortschritte darin erzielt hätte.
    Nun begann ich zu zweifeln, ob ich schon mehr als das erste Kapitel des ersten Bandes hinter mich gebracht hatte.
    Daß ich versuchte, durch das Streichen des Kinderzimmers zu sparen, war ein Teil meiner neuen allgemeinen Einstellung. Ich hatte mich niemals vorher viel um Geld gekümmert. Mein Vater, der viel für die Medizin übrig hatte und mich immer sehr verwöhnte, hatte mein Studium bezahlt. Während meiner Klinikzeit nach meinem Examen hatte das zwar lächerlich geringe Gehalt leicht meine sorgenfreien Junggesellenbedürfnisse decken können. In meiner Praxis konnte ich, während ich noch allein war, sehr komfortabel leben. Die Ehe schien jedoch ein anderes Licht auf die Dinge zu werfen. Die Praxis wurde, wie das mit einer Praxis so üblich ist, immer lohnender, aber durch den Wechsel meines Standes schienen gewisse Dinge, ohne die ich früher sehr gut fertig geworden war, jetzt unerläßlich zu sein. Meine Haushälterin und ich hatten uns während des ersten Jahres in meiner Praxis ganz zufrieden damit gegeben, daß wir bei jedem Regen automatisch einige Eimer unter das leckende Oberlicht stellten, wir hatten genügsam das laute Rasseln des altmodischen Boilers in der Küche ignoriert. Sylvia hatte jedoch eine tief verwurzelte Abneigung gegen Schalen und Eimer im Korridor und sah nicht ein, daß wir im Zeitalter der Automatisierung noch wie in der Eiszeit leben sollten. Daraus ergab sich, daß wir jetzt ein wasserdichtes Oberlicht hatten (dessen Reparatur unweigerlich die gründliche und kostspielige Befestigung des ganzen Flachdaches nach sich zog), dazu einen glänzenden Boiler in der Küche und einen Kühlschrank. Jetzt würden wir bald ein Baby haben, und nach der erschreckenden Anzahl von Kleidungsstücken, Möbeln und Bettzeug zu urteilen, die dieses bis jetzt noch ungeborene Kind bereits zu brauchen schien, bevor es überhaupt soweit war, um Schuhe zu tragen und am Tisch sitzen zu können, war es vielleicht ganz richtig, daß wir sie nicht in unbeschränkter Anzahl haben konnten. Mir wurde von meiner Mutter und von Mrs. Loveday versichert, daß dieser Zustand ganz normal sei, und ich stellte das gleiche bei meinen Besuchen fest, wo ich jetzt meine Augen auch für andere Dinge als die Patienten in den Betten offenhielt. Ich hatte jetzt mit meinen Geldmitteln sparsam umzugehen, die mir früher leicht durch die Finger schlüpften, und von den gelegentlichen Einnahmequellen, die mir als praktischem Arzt zur Verfügung standen, besseren Gebrauch zu machen. Im Interesse meiner wachsenden Familie wurde ich zäh. Durch die Berechnung der Gutachten für die Patienten, für die ich eine Gebühr nehmen durfte, was ich aber bisher nie getan hatte, bekam ich so viel Schillinge im Monat zusammen, daß ich meine bisherige Schlaffheit bedauerte. Nachdem ich die Immunisierungen und die Impfungen, die ich vornahm, der öffentlichen Gesundheitsdienstbehörde gegenüber genauer notierte, bekam ich auch die richtige Vergütung dafür.
    Die Anstrengungen, für meine Familie zu sorgen, blieben nicht ohne Hilfe. Die meisten unserer Patienten kannten jetzt unseren erwartungsvollen Zustand, und die Neuigkeit hatte sich in der verschiedensten Weise ausgewirkt. Die Damen vom Verwaltungsausschuß strickten winzige Kleidungsstücke und legten sie schüchtern auf meinen Tisch; und die Damen der Nachbarschaft: strickten winzige Kleidungsstücke und brachten sie an die Haustür, wo sie sie Sylvia mit

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