Kleiner Kummer Großer Kummer
begannen, als ich mir wegen der Farbe schlüssig werden mußte. Nicht, daß es wirkliche Schwierigkeiten gab, sondern diese Art von widerstreitenden Unterströmungen der Wünsche, die nie ganz an die Oberfläche kommen.
Es hatte mit dem begonnen, was Humphrey Mallow uns erzählte, als Sylvia aus der Klinik kam. Die von ihm vorgenommenen Untersuchungen hatten ergeben, daß sie keine Nierenentzündung hatte, aber im Hinblick auf den hohen Blutdruck und die sich daraus ergebenden Kopfschmerzen hatte er uns beiden ernstlich geraten, uns in Sylvias Interesse mit einem Kind zufriedenzugeben. Wir waren beide ein wenig enttäuscht, da wir uns selbst immer als große Familie gesehen hatten, zum mindesten ab vier Personen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis wir beide uns auf diesen neuen Gesichtspunkt eingestellt hatten und zu der Ansicht kamen, daß wir glücklich genug sein könnten, wenn wir ein gesundes Baby hervorbrächten und Sylvia gesund bliebe. Eines Abends jedoch entdeckten wir durch Zufall, daß wir sehr verschiedene Ideen darüber hatten, was unser einziges Kind sein sollte.
Ich hatte eine außerordentlich lange und arbeitsreiche Sprechstunde hinter mir, in deren Verlauf ich einen akuten Blinddarm und eine beginnende Lungenentzündung festgestellt hatte, zwei Fälle, die mich aufhielten. Es war fast neun Uhr, und ich war seit sechs Stunden ununterbrochen beschäftigt, als ich den Summer für den letzten Patienten drückte. Es war kein Patient, sondern ein junger Mann mit einem enormen Lenkstangenschnurrbart und einer Aktentasche, der für eine der Arzneimittelfirmen reiste. Er sprang fröhlich herein, obwohl er seit über einer Stunde geduldig gewartet haben mußte.
»Nein, Mr. Piper«, stieß ich übermüdet hervor, während ich auf meinem Tageskalender die Anzahl der Patienten, die ich gehabt hatte, notierte. »Nicht heute abend. Ich bin zu müde und möchte zum Essen. Kommen Sie später in der Woche noch einmal wieder, dann werden Sie mich in besserer Stimmung antreffen.«
Mr. Piper, der sich auf der Untersuchungscouch niedergelassen hatte, öffnete schon seine Aktentasche. Er war einer der hartnäckigsten Arzneimittelvertreter, die unermüdlich telefonieren und geduldig warten, bis sie den Widerstand zerbrochen haben. Am schnellsten wird man sie los, wenn man ihnen ihren Willen läßt und sich nicht sträubt.
An diesem Abend war ich jedoch entschlossen, mich nicht einwickeln zu lassen. Da Mr. Piper auf Grund seines Berufes eine Elefantenhaut bekommen hatte und vollkommen unempfindlich gegenüber Andeutungen war, stand ich auf und hielt ihm entschlossen die Tür auf.
Mit der schnellen und nachlässigen Handbewegung eines Zauberkünstlers hatte er die Couch mit einer Auswahl grellfarbiger Prospekte bedeckt.
»Ich werde Sie nur einen Augenblick aufhalten, Doktor«, begann er hastig und zwirbelte seinen Schnurrbart, während er sprach. »Wie Sie selbst wissen, ist der Verbrauch von Sedativen im modernen Leben ad nauseam gestiegen, und ich brauche Sie nicht auf Streßvorgänge, Angstzustände, Erregungs...«
»Mr. Piper!« flehte ich.
»... was mehr als alles andere benötigt wird, ist ein Sedativ, das sicher, zuverlässig und ohne Nachwirkungen ist und nicht zur Süchtigkeit führt. Wir haben jetzt etwas, das alle diese Forderungen erfüllt - und noch einige dazu...«
Ich mußte eingenickt sein, denn das nächste Wort, das ich hörte, war »Golf«. Ich fuhr auf.
Mr. Piper legte den Prospektstapel zusammen mit zwei oder drei kleinen Musterpackungen auf meinen Tisch.
»Was haben Sie da eben gesagt?« fragte ich.
»Ah! Wegen unserer Tabletten. Helfen bei entzündeten Mundschleimhäuten, giftfrei, angenehm parfümiert und auch für Kinder zu verwenden.«
»Nein, das nicht!« unterbrach ich ihn und überlegte, ob ich nicht vielleicht geträumt hatte. »Ich dachte, ich hätte Sie irgend etwas über Golf sagen hören.«
»Ja. Meine Firma veranstaltet ein Golfturnier für Praxisärzte. Ich fragte Sie, ob Sie daran interessiert seien.«
»Du lieber Himmel, ja«, rief ich. Meine Müdigkeit war vollkommen verschwunden. »Wann ist es?«
Als Mr. Piper endlich gegangen war, hatte ich so lange auf mein Essen gewartet, bis mein Hunger verschwunden war.
Sylvia hatte bereits gegessen und brachte mir mein Dinner, das sie warmgehalten hatte, auf einem Tablett in das Morgenzimmer. Dann nähte sie eifrig Namensschildchen in die winzigen Kleidungsstücke, die sie mit in die Klinik nehmen mußte, wenn das Baby
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