Kleiner Kummer Großer Kummer
auf meiner Runde unterwegs war, und daß sie mit Sicherheit raten konnte, was für ein Frühstück der kleine Tommy bei seiner Mandelentzündung haben durfte. Ebenso wurde sie während meiner Abwesenheit mit Schnitten und Brandwunden fertig, mit Säuglingen, die aus ihrer Wiege oder vom Wickeltisch gefallen waren, und mit betagten Verwandten, die auf dem Boden zusammengebrochen waren. Sie meisterte all diese Situationen mit Ruhe und Überlegenheit, beruhigte die aufgeregten Hilfesuchenden und sagte ihnen genau, was sie zu tun hatten.
Als ich ihr zufriedenes Gesicht sah, wußte ich sicher, daß sie auf diese Weise glücklich sein würde, auch nachdem die Scheinwerfer erloschen waren.
Der Tag des Credo-Medical Golfturniers begann strahlend und klar, ein leichter Frühlingswind spielte in den zart belaubten Bäumen. Phoebe Miller hatte sich bereit erklärt, mich für den Rest des Tages bei meinen Patienten zu vertreten, und so stieg ich mit einem für einen Dienstag ungewöhnlich leichten Herzen nach einem frühen Lunch in meinen Wagen und fuhr zu dem Golfplatz, wo das Turnier stattfinden sollte.
Im Klubhaus versuchte Mr. Piper mit gesträubtem Lenkstangenschnurrbart, die Dinge zu organisieren. »Aha«, rief er fröhlich, als er mich sah. »Guten Tag, Doktor, und noch dazu ein herrlicher Tag. Ich hoffe, Sie kennen alle hier.«
Ich sah mich in der kleinen Gruppe um. Da waren ein oder zwei Praxisärzte, die ich nur vom Sehen kannte, die Kinderärztin von unserem Krankenhaus und die medizinische Leiterin des Verwaltungsausschusses. Diese beiden letzteren, nicht allein weibliche Doktoren, sondern weibliche golfspielende Doktoren, waren Erscheinungen, die man nicht vergessen würde. Sicher waren sie Experten in der Handhabung von Spritzen und recht gewandt mit ihren Golfschlägern, aber ich zweifelte daran, daß eine von ihnen gewußt hätte, was sie mit einem Lippenstift anfangen sollte. Nach dem Kennenlernen stellten sich jedoch beide Damen als ausgesprochen charmant heraus. Sie waren nicht nur sprühende Gesprächspartner, sondern auch einmalige Golfspieler. Es war leicht, ihre äußerlichen Mängel zu vergessen.
In der Ecke des Gesellschaftsraumes, in dem wir bescheiden herumstanden, um auf die noch eintreffenden Teilnehmer zu warten, befand sich eine Telefonzelle. Durch das Glas sah ich einen jungen Mann, der sich lässig gegen die Tür lehnte, während er den Hörer am Ohr hielt. Seine Rückansicht weckte Erinnerungen bei mir. Seine Vorderansicht noch mehr.
»Musgrove!« rief ich und ging ihm entgegen, als er aus der Zelle herauskam. Trotz unserer wohlgemeinten Versprechungen hatten wir uns seit Edinburgh nicht mehr umeinander bemüht. Seine Brille schwebte noch immer unsicher auf der Nasenspitze.
Wir schüttelten einander die Hände. »Ich sah Sie hereinkommen«, erklärte er. »Aber ich telefonierte gerade mit meinem Börsenmakler.«
»Börsenmakler?« fragte ich. »Sind Sie zu Geld gekommen?«
»Noch nicht, das möchte ich erst. Der Markt sieht jetzt sehr hoffnungsvoll aus, einer meiner Patienten gab mir einen Tip. Todsicher und ganz geheim. Ich habe gerade einige Aktien gekauft, und mit ein wenig Glück sollte ich Ende der Woche einige hundert Pfund einsacken können.«
»Da wünsche ich Ihnen viel Glück. Wenn ich einen Spargroschen übrig hätte«, fügte ich hinzu, »würde ich mich beteiligen.«
»Mein lieber Junge«, Musgrove legte seinen Arm um meine Schultern, »das ist ja das Gute dabei. Sie brauchen keinen Pfennig. Sie kaufen sie auf Rechnung und verkaufen sie, bevor die Rechnung fällig ist. Natürlich muß man sicher sein, daß sie während dieser Zeit steigen.«
»Und angenommen, sie fallen?«
»Das ist das Risiko, das Sie auf sich nehmen müssen. Dieser Patient von mir, der mir den Tip gab, hat ein Vermögen durch Spekulationen gemacht. Auch ich muß irgend etwas unternehmen. Wir erwarten Familienzuwachs.«
»Wir auch!«
»Oh!« fuhr es Musgrove mutlos heraus. »Dann wissen Sie also Bescheid mit all diesem Kinderwagen- und Windelkram?«
»Und Wiege und Badewanne.«
»Und Jäckchen und Schuhzeug«, fügte Musgrove hinzu. »Übrigens holt mich meine Frau hier später ab. Ich habe heute meinen freien Nachmittag.«
»Da müssen Sie mit zu uns zum Dinner kommen«, fiel ich rasch ein. »Sylvia wird entzückt sein. Ich wollte Sie schon seit langem einladen. Dies ist eine großartige Gelegenheit.«
»Wollen Sie nicht lieber erst Ihre Gattin fragen«, schlug Musgrove vor. »Sie können doch
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