Kleiner Kummer Großer Kummer
nur auf ihn gehört und mir rechtzeitig einen neuen Wagen zugelegt. Ich stieg aus und begann, die in der Hitze klebende Teerstraße entlangzumarschieren. Einige Wagen überholten mich, nahmen aber von meinem winkenden Arm und dem bittenden Daumen keine Notiz. Wenn ich mich an die vielen Anhalter erinnerte, an denen ich herzlos vorbeigefahren war, konnte ich es ihnen nicht übelnehmen. Nachdem ich schon eine heiße, ermüdende Meile gewandert war und mich bei jedem vorbeibrausenden Wagen gegen die stachelige Hecke gepreßt hatte, wurde ich von einem mitleidigen Lastwagenfahrer aufgelesen, der mich kurz vor Hoxley an einer verschlafen aussehenden Tankstelle absetzte.
Der in einem schmuddeligen Overall steckende Tankstellenbesitzer grunzte »Ooh« und »Aah« und schüttelte seinen Kopf, als ich fragte, ob er nach meinem Wagen sehen könne, den ich vor der Telefonzelle hatte zurücklassen müssen. Sein Kollege sei gerade nicht da, und er könne die Tankstelle nicht allein lassen, entgegnete er. Meine Erklärung, daß ich ein Arzt sei und meine Frau jeden Augenblick ein Kind bekommen würde, ließ ihn kalt. Als ich meine Brieftasche herauszog, knurrte er, er könne ja mal eben mit seinem Motorrad hinfahren und mir den Gefallen tun. Ich versprach ihm, die Tankstelle zu versorgen, während er nicht da sei, wenn er nichts dagegen hätte, daß ich sein Telefon benutzte. Für eine bescheidene Summe wurde der Handel besiegelt.
In dem winzig kleinen Büro rief ich, umgeben von Chromputzflaschen und glänzenden Dosen mit Poliermitteln, meine Nummer an. Ich hörte das Rufzeichen wieder und wieder, aber es kam keine Antwort. Mir wurde heißer und heißer vor Aufregung. Ich ließ mich noch einmal mit meiner Nummer verbinden und bat dann das Amt, die Leitung nachzuprüfen. Es war aber alles in Ordnung und anscheinend niemand mehr im Hause.
Jetzt rief ich Humphrey Mallows Nummer an. Seine Sprechstundenhilfe erklärte, daß er nicht da sei. Er hätte wegen eines unerwarteten Kaiserschnitts in die Klinik fahren müssen. Nein, sie wüßte nicht, wer die Patientin sei, und sie hätte auch nicht mit meiner Frau gesprochen, aber sie sei auch gerade erst zurückgekommen. Warum ich nicht in der Frauenklinik direkt anriefe, wenn ich dächte, daß sie dort sei. Ich ließ mich mit der Klinik verbinden. Die Schwester sagte nein, meine Frau hätte nicht angerufen, um sich anzumelden, und Dr. Mallow sei, soweit sie wüßte, nicht im Haus. Ich konnte mir nicht vorstellen, was mit Sylvia passiert war, aber meine Einbildungskraft tobte sich aus. Ich starrte in ohnmächtigem Haß auf den Telefonapparat, gab der Schwester Anschrift und Nummer der Tankstelle an, damit sie mich anrufen könnte, wenn sie etwas wüßte, und versprach, in Kürze dort zu sein. Ohne viel Hoffnung versuchte ich meine Telefonnummer noch einmal und lauschte auf das monotone Rufzeichen, bis ich die Hitze in dem kleinen Glaskasten von Büro nicht mehr aushalten konnte.
Ich hatte keine Kunden zu betreuen und wartete ungeduldig auf die Rückkehr meines Helfers. Als er dann kam, stellte er sein Motorrad mit aufreizender Langsamkeit fort und wischte sich seine schweißbedeckte Stirn mit einem schmutziggrauen Lappen ab. Traurig schüttelte er seinen Kopf.
»Dem Wägelchen können Sie Lebewohl sagen«, grinste er mitleidig. »Nehme an, das Differential und das Getriebe ist hin. Die Reparatur kostet mehr, als es wert ist. Ich will damit nicht etwa behaupten«, fuhr er, sich bei diesem Thema langsam erwärmend, fort, »daß es nicht früher mal ein hübscher kleiner Wagen gewesen ist, aber nehmen Sie’s mir nicht übel, Doktor, Sie hätten ihn schon längst abstoßen sollen; vor allem bei Ihrem Beruf. Vielleicht hätten Sie Glück gehabt und noch ein paar Tausender herausgeschlagen, andererseits hätten Sie aber auch einen garstigen Unfall riskieren können.«
Ich beichtete nicht, daß George Leech mir dasselbe schon vor langer Zeit gesagt hatte.
»Wie steht’s mit ’nem Taxi?« fragte ich. »Oder kann ich vielleicht
hier einen Wagen leihen? Ganz gleich welche Marke, ich muß nur so schnell wie möglich nach Hause.«
Er warf hastig einen Blick auf seine Armbanduhr. »Nehme an, daß Alf in zehn Minuten zurück ist.«
»Wer ist Alf?«
»Mein Teilhaber. Er bringt gerade eine Dame zum Flughafen. Er bringt Sie nach Hause, Doktor, Alf tut’s bestimmt.«
»Meinen Sie nicht, daß es länger als zehn Minuten dauern könnte?«
»Ich könnte mich nicht erinnern, daß Alf jemals
Weitere Kostenlose Bücher