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Kleiner Kummer Großer Kummer

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Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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von mir besuchen, die eine Fehlgeburt gehabt hat. Sie hatte eben den Hörer aufgelegt, als Ihre Gattin ankam. Die Schwester war so ärgerlich, daß das nicht ein oder zwei Minuten eher geschah, solange Sie noch in der Leitung waren, daß sie mir die ganze Geschichte erzählte.
    »Sie wollte bei Ihnen anrufen und Bescheid sagen, daß Ihre Gattin gerade angekommen wäre, aber ich habe es ihr ausgeredet. Ich wußte, Sie würden sich dann nur ärgern, daß Sie hier festhingen, darum dachte ich, ich fahre schnell selbst hierher. Ich hatte gerade nichts anderes zu tun und bin diesen Weg so oft gefahren, daß ich alle Abkürzungen kenne.«
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, stotterte ich. »Es ist schrecklich nett von Ihnen, daß Sie sich soviel Mühe machen.«
    »Das ist doch keine Mühe. Ich freue mich immer, wenn ich einen Grund zum Fahren habe. Und übrigens weiß ich, wie es ist, wenn man sein erstes Kind erwartet, vor allem, wenn man anfängt zu grübeln, was alles passieren könnte.«
    »Haben Sie Sylvia gesehen?«
    »Ja, die Blase ist schon geplatzt, aber sie hat noch einen langen Weg vor sich. Ihr Mädchen brachte sie im Krankenwagen.«
    Alle Dinge, die ich je über Archibald Compton gedacht oder gesagt hatte, liefen mir im Kopf herum. Dies war das erste Mal, daß ich mehr als zwei oder drei Worte mit ihm gewechselt hatte; wie konnte ich ihn nur für einen Menschenfresser halten, der meine Praxis zu verschlingen drohte.
    »Wie kommen Sie in der Praxis zurecht?« fragte ich, weil ich wußte, daß er mit diesem Thema nicht anfangen würde, da er mich ja für einen ziemlich mürrischen Patron halten mußte.
    »Nicht zu schlecht. Ich habe genug Patienten, um immer im Trab zu sein, was der Hauptgrund für mich war. Ich wollte schon oft zu Ihnen kommen und mich entschuldigen, daß ich mich praktisch auf Ihrer Türschwelle niedergelassen habe, aber bis jetzt war die Vergangenheit für mich noch zu nah, als daß ich darüber hätte sprechen können. Ich habe mir diesen Platz nur ausgesucht, um in der Nähe der Familie meiner Frau zu sein.«
    »Die Harts?« fragte ich und wußte jetzt, weshalb sie sich von meiner Liste hatten streichen lassen.
    »Ja. Ich habe keine eigene Familie. Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen. Ich habe nicht die Absicht, mir eine große Praxis aufzubauen. In einem Jahr oder so werde ich höchstwahrscheinlich auswandern.«
    Ich konnte mir sein Leben vorstellen, wie es seit der Tragödie, die ihm Frau und Kinder nahm, verlaufen war. Die Einsamkeit, die ihm allzuviel Zeit zum Grübeln ließ, die plötzliche Notwendigkeit, sich wieder im Junggesellenstand zurechtzufinden, die einsamen Mahlzeiten in Vorortrestaurants; dazu meine ablehnende Haltung. Ich hatte ihn für dünkelhaft und eingebildet gehalten; er war aber sicherlich nur unglücklich gewesen.
    »Wünschen Sie sich einen Jungen oder ein Mädchen?«
    »Das ist mir gleich«, antwortete ich und merkte zu meiner Überraschung zum ersten Mal, daß es mir wirklich gleich sein würde. Kam es daher, daß ich so viel besaß und Compton so wenig — ich weiß es nicht. Ich wußte nur eins - mich würde beides glücklich machen. Fünfundzwanzig Minuten, nachdem wir Hoxley verlassen hatten, erreichten wir die Klinik.
    Als ich ausstieg, rief Compton mir noch nach: »Ich werde heute und morgen die Besuche für Sie erledigen. Bleiben Sie nur bei Ihrer Frau.«
    Meine Antwort ging im Aufheulen seines Motors unter, und alles, was ich beim Davonbrausen durch das Rückfenster von ihm noch entdecken konnte, war das Winken eines gelben Handschuhs. Zum ersten Mal empfand ich dabei keine Mißgunst, sondern nur Mitleid.
     

20
     
    In einem kleinen Raum, dessen Fenster zum Lichtschacht der Klinik führte, lag Sylvia ganz gelassen im Bett und achtete auf die Zeitfolge der Wehen.
    »Liebster!« rief sie aus und streckte mir ihre Arme entgegen, »ich hatte solche Angst. Was ist mit dem Wagen geschehen?«
    »Zusammengebrochen«, antwortete ich. »Es sieht so aus, als müßten wir einen neuen haben; aber mach dir darüber jetzt keine Sorgen. Fühlst du dich wohl?«
    »Ausgezeichnet. Ich habe den Krankenwagen nur gerufen, weil du mir das gesagt hast. Iris kam mit hierher; sie ist wirklich lieb, dieses Mädchen, jetzt ist sie wegen des Telefons zurückgegangen.«
    »Und die Schmerzen?«
    »Ein bißchen schlimmer als bisher, aber nicht zu schlimm. Es läßt sich aushalten. Ich weiß gar nicht, warum man immer so ein Getue darum macht.«
    Ich küßte sie

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