Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden
Gottes Sohn
gewesen!« (Markus 15,39). Das hat sich Ostern bewahrheitet, denn der Tod hat nicht das letzte Wort behalten, sondern Gott hat Jesus auferweckt. Die Jünger allerdings wussten damals noch nichts davon. Jesus, der Mittelpunkt ihrer Bewegung — tot; und keine Spur von Gott, der hat das einfach so geschehen lassen. Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung haben sich da breit gemacht und Trauer über den Verlust. Man kann Ostern nur verstehen, wenn man sich das bewusst macht. Deswegen ist Karfreitag ein »stiller Tag«, ein Tag zum Nachdenken und Nachfühlen. An diesem Tag lässt sich eine andere Seite von Gott entdecken als die, von der sonst immer die Rede ist: Gott greift nicht allmächtig ins Weltgeschehen ein, aber er bleibt auch nicht außerhalb der Welt — er leidet mit. Karfreitag ist ein Trauertag und dieser Trauer soll genauso Raum gegeben werden wie der Freude über die Auferstehung an Ostern. Deswegen wird an Karfreitag nicht getanzt.
Aber ist ein solches Verbot in einem Land, in dem immer weniger Menschen den christlichen Glauben noch aktiv praktizieren, überhaupt noch sinnvoll? Auch wenn sich das Verbot auf Dauer nicht mehr aufrecht erhalten lassen sollte — die Idee eines »stillen Tages« ist so überflüssig nicht. So ein Tag hat genau so eine Berechtigung wie all die lauten und fröhlichen Feiertage. Ein Tag der Stille und Unterbrechung, ein Tag, an dem man sich auch der Wahrnehmung des Leidens auf der Welt einmal stellt, ein Tag, um zu sich zu kommen und um Gott auch einmal als ohnmächtig Mitleidenden wahrnehmen zu können. So ein Tag ist nicht überflüssig – wer Karfreitag verstanden hat, der wird nicht tanzen, egal ob es erlaubt oder verboten ist.
Alle Christen kennen und befolgen den KATECHISMUS
Früher wurden sie Frage für Frage auswendig gelernt, heute kann vermutlich kaum noch jemand erklären, was ein Katechismus überhaupt ist. Wer meint, alle Christen würden einen Katechismus befolgen, der irrt jedenfalls, denn den Katechismus gibt es nicht. Jede Konfession hat ihren eigenen Katechismus, manchmal sogar mehrere Katechismen für unterschiedliche Zielgruppen. Ein Katechismus ist eine Art Lehrbuch zu Grundlagen des Glaubens. Ursprünglich häufig in Frage-Antwort-Form, sind darin die wichtigsten Aspekte des Glaubens zum leichten Auswendiglernen zusammengefasst. Allein bei den Lutheranern gibt es drei wichtige Katechismen, einen kleinen für das einfache Volk und einen großen, ausführlicheren für Geistliche (beide wurden von Luther verfasst), und den evangelischen Erwachsenenkatechismus, der auf moderne Weise und nicht mehr in Form von Fragen und Antworten, sondern in zusammenhängenden Texten umfangreich über den evangelischen Glauben informiert. Zunächst bezeichnete man die mündliche Weitergabe der wichtigsten Glaubensinhalte an die Taufkandidaten vor ihrer Taufe als Katechese. Später wurde die gesamte Belehrung der Gläubigen über die Glaubensgrundsätze so benannt. Luther hatte seinen Kleinen Katechismus für die einfachen Familien verfasst. Der Hausvater, das Familienoberhaupt, sollte ihn den Kindern und Bediensteten vortragen. Auch heute noch orientiert sich der Konfirmandenunterricht am Kleinen Katechismus. Dennoch beklagen alle Kirchen zu Recht und auf Grundlage vieler Umfragen, dass die Gläubigen eigentlich viel zu wenig über ihren eigenen Glauben wissen. Wer aber nicht mal weiß, was ein Katechismus ist – wie und warum sollte der ihn befolgen können?
KETZER haben falsch geglaubt
Jeanne d’Arc, 1431 als Ketzerin verbrannt, weil sie sich nicht zuerst der Kirche, sondern Gott unterstellt sah. Jan Hus, 1415 als Ketzer verbrannt, weil er sich gegen weltlichen Besitz der Kirche, den Ablasshandel und den Heiligenkult wandte und das Abendmahl in beiderlei Gestalten forderte. Der Bußprediger Savonarola, 1498 als Ketzer verbrannt, weil er die Verderbtheit der Kirche und den sittenlosen Lebenswandel des Papstes anprangerte. Michael Servet, 1553 als Ketzer verbrannt, weil er die Dreieinigkeit Gottes ablehnte. Haben sie falsch geglaubt? Und wer entschied das und warum? Jeanne d’Arc wurde inzwischen heiliggesprochen, Savonarola ist zur Seligsprechung vorgeschlagen worden, bei Jan Hus zeichnet sich heute ein langsames Umdenken der katholischen Kirche ab und Michael Servet gilt als tragisches Opfer der Reformation. So falsch können sie also doch nicht geglaubt haben?!
Während das Christentum in den ersten Jahrhunderten noch nicht zentral organisiert war und die
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