Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden
Nachfolger des Petrus könnten demnach der Papst und die Kirche
gar nicht im Gegensatz zu Jesu Lehre stehen. Protestantische Kirchenführer werden darauf hinweisen, dass die Kirchen in der Vergangenheit zwar einige Male versagt, aber unter dem Strich doch gottgewollt gewirkt hätten.
Fest steht allerdings auch: Oft sind die Kirchen der Versuchung der Macht erlegen. Mord, Folter und Unterdrückung, Kreuzzüge, Inquisition und »heilige« Kriege, Hexenverfolgungen und Antisemitismus. Nicht nur segensreiches Wirken, sondern auch eine grausame Spur kirchlicher Gewalt durchzieht die Geschichte des Abendlandes. In unterschiedlichen Variationen führte die Kungelei der Kirchen mit der Macht dazu, dass Jesu Bergpredigt ins Gegenteil verkehrt wurde. Feinde wurden nicht geliebt, sondern verfolgt. Statt die andere Wange hinzuhalten, schlugen Christen oft genug gnadenlos zurück. Kriegstreiberei und Aufrüstung wurden als friedenschaffende Maßnahmen verklärt. Mit Duldung, oft sogar mit Zustimmung kirchlicher Autoritäten konnten Konquistadoren und Diktatoren, Faschisten und Nationalsozialisten Völker verführen, knechten und morden.
An diese dunklen Seiten erinnern viele Christen, vor allem von der Basis. Ihre Hoffnung besteht darin, dass der Klerus und die »Amtskirchen« ihre Macht und Verantwortung auf viele Schultern verteilen. Zu ihren innerkirchlichen Forderungen gehören die Gleichberechtigung der Frauen, die Abschaffung des Pflichtzölibats für katholische Priester sowie die Einführung demokratischer Strukturen in den Kirchen. Auch legen die christlichen Basisbewegungen die Finger in die Wunden der aktuellen Kirchenpolitik. Einige ihrer Einwände: Die katholische Kirche erklärt die Anwendung empfängnisverhütender Mittel zur Sünde — und vergisst darüber die Probleme, die angesichts bedrohlich steigender Überbevölkerung gerade für die Gläubigen in den ärmsten Ländern der Welt entstehen. Jahrzehntelang haben besonders protestantische Kirchen in Südafrika das System der Apartheid unterstützt – und in Kauf genommen, dass Menschenrechte nicht für Schwarze galten. Im Jugoslawienkrieg hat die serbisch-orthodoxe Kirche das Morden der Machthaber unterstützt.
»Was würde Jesus dazu sagen?« Dieser Satz ist naiv. Ernstzunehmen ist er trotzdem. Denn er stammt von einem Christen, der sich um den Preis der Freiheit von der kirchlichen Machtkungelei verabschiedet hat. Als persönlicher Häftling Adolf Hitlers saß der ehemalige U-Boot-Kommandant Martin Niemöller von 1937 bis 1945 im Konzentrationslager. Er hatte sich dem wohl folgenschwersten Bündnis von Thron und Altar widersetzt: der Gleichschaltung von Nazi-Ideologie und der evangelischen Kirche. Nur wenige Christen sind dem millionenfachen Mord an Juden – dem Volk Jesu – entgegengetreten. Die meisten haben weggeschaut. Hatte es der von Dostojewski erdachte Großinquisitor nicht so ähnlich vorausgesagt?
Maria war JUNGFRAU, als sie Jesus gebar
Als »Mutter Gottes« ist Maria aus dem katholischen Glaubensleben nicht wegzudenken, als Himmelskönigin wird sie verehrt, Fürbitten werden an sie gerichtet, Marienwallfahrten begangen, das Rosenkranzgebet ist ihr gewidmet, und das, obwohl die Katholiken nicht müde werden zu betonen, dass sie Maria nicht anbeten, sondern verehren. Protestanten nehmen solche Frömmigkeit mit Befremden zur Kenntnis. Und dann ist da noch die Sache mit der Jungfräulichkeit. Jesus, »geboren von der Jungfrau Maria«, bekennen bis heute weltweit sowohl katholische als auch protestantische Christen. Aber wie soll man sich das denn vorstellen? Für die Katholiken ist klar, was sie zu glauben haben. Die kirchliche Lehre gibt es ihnen vor: Jesus wurde durch den Heiligen Geist gezeugt, als Maria Jungfrau war, also ohne Zutun irgendeines Mannes. Außerdem sei sie stets jungfräulich geblieben, also auch während und nach der Geburt. Niemand wisse, wie das vor sich ging, nicht einmal Maria selbst, es handelt sich
also um ein Glaubensmysterium. Und die Geschwister Jesu, von denen im Neuen Testament die Rede ist? Sie waren Kinder aus Josefs Verwandtschaft, behauptet die katholische Kirche. Aber die Protestanten sollten sich nicht zu früh freuen, denn an die jungfräuliche Zeugung durch den Heiligen Geist glauben auch sie, zumindest ihren Bekenntnisschriften nach.
Was aber wissen wir abseits dieser heute kaum noch nachvollziehbaren Glaubenssätze wirklich über Maria? Und wie war es möglich, dass ein einfaches junges Mädchen, das
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