Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden
Gemeinde, die im katholischen Gottesdienst mittlerweile fast nur noch als Zuschauer anwesend war, während der Klerus alle Handlungen und Gesänge übernahm, wieder aktiv am Gottesdienst beteiligen und führte statt der lateinischen Gesänge deutschsprachige Kirchenlieder ein. Diese bestanden zum Teil aus Übersetzungen traditioneller Lieder, zum Teil aus Neudichtungen, zu denen er selbst 36 Lieder beisteuerte. Neben anderen: »Ein feste Burg ist unser Gott« oder »Vom Himmel hoch, da komm ich her«. 1524 wurde ein erstes Gesangbuch herausgegeben. Diese Lieder halfen, religiöse Themen und auch die Ideen der Reformation unter den Menschen zu verbreiten. Glaube lässt sich kaum nur denkend über die Predigt vermitteln. Das gemeinsame Singen bezieht den ganzen Menschen mit all seinen Sinnen und die ganze Gemeinde ins Gebet, in die Verkündigung, in die Klage und das Lob Gottes ein.
»Bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart«, notierte der manchmal als »fünfter Evangelist« bezeichnete Komponist Johann Sebastian Bach in seiner Bibel. Glaube ist nicht nur etwas Rationales, Musik kann den Glauben spürbar machen. Wer Bachs Matthäus-Passion hört, kann das genauso erfahren, wie jemand, der wieder beginnt, bewusster im Gottesdienst mit allen anderen zusammen zu singen.
In KLÖSTERN wird nur gebetet
»Ora et labora« – »bete und arbeite«: Diese knappe Zusammenfassung der Benediktinerregel bringt es eigentlich schon auf den Punkt: Nein, in Klöstern wird nicht nur gebetet. Als Benedict von Nursia im Jahr 529 auf dem Monte Cassino das bis heute berühmte Kloster gründete, verfasste er eine ausführliche Ordensregel für das Leben dort. Dabei griff er auf schon vorhandene Mönchsregeln und die Erfahrungen vorheriger Gemeinschaften zurück und verknüpfte sie mit theologischen Überlegungen. So entstand die wichtigste Ordensregel des Abendlandes, die viele Aspekte des Klosterlebens strukturierte. Die Mönche sollen in Weltabgewandtheit, Demut und unbedingtem Gehorsam zu ihrem Abt, dem Vorsteher des Klosters, leben. Das Noviziat, eine einjährige Probezeit, soll sicherstellen, dass Neuankömmlinge sich ihre Entscheidung, Mönch zu werden, auch wirklich gut überlegen. Gastfreundschaft, Armenpflege, handwerkliches Arbeiten, Lesen und das Unterrichten in Kloster- und Schreibschulen gehören neben dem regelmäßigen Beten zum Tagesablauf. Die Tagesstruktur zwischen Beten und Arbeiten soll dem Mönch auf seinem Weg zu einem vollkommenen Leben zu einem ausgeglichenen Lebensgefühl verhelfen, das zur Erkenntnis Gottes befreit.
Im Laufe der Zeit und mit Gründung weiterer Mönchsorden, die sich fast alle an der Regel Benedikts orientierten, kamen noch weitere Aufgaben wie Mission, Kunsthandwerk und die Arbeit in Schreibstuben hinzu. Die Klöster wurden mehr und mehr zu Selbstversorgern, die alles Lebensnotwendige selbst herstellten. Während der wachsende Reichtum mancher Klöster zeitweise zu Trägheit und Verfallserscheinungen führte, wurden aber immer wieder auch neue Orden mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in ihrem Aufgabenbereich gegründet; im zehnten Jahrhundert zum Beispiel die Cluniazenser. Gäbe es nur diesen Orden, wäre der Satz »In Klöstern wird nur gebetet« gar nicht
so falsch, denn hier hatte der Gottesdienst unbedingten Vorrang vor allem anderen. Hatte Benedikt von Nursia es noch für wichtig gehalten, dass die Gebete nicht zu lang wurden und in einem ausgeglichenen Verhältnis zum restlichen Klosterleben standen, blieb in Cluny vor lauter Gottesdienst und Gebet kaum noch Zeit für andere Tätigkeiten. Die sogenannten Bettelorden entstanden im 13. Jahrhundert. In den Städten breitete sich in dieser Zeit die Armut aus. Die Mönche lebten anfangs vor allem als Wanderprediger und arbeiteten für ihren Lebensunterhalt. Später bettelten sie auch und zogen nicht mehr umher. Franz von Assisi, der wohl bekannteste Vertreter, hielt in seiner Regel fest: »Die Brüder sollen sich nichts zu eigen machen, weder Haus noch Platz noch irgendein Ding.« Auch Frauen ließen sich von diesem Armutsideal überzeugen – es entstanden Frauenklöster. Später gegründete Orden widmeten sich oft sozialen Aufgaben. 1949 gründete Mutter Theresa in Indien die Gemeinschaft der Missionarinnen der Nächstenliebe. Die Nonnen leben in strenger Armut — jede besitzt zwei Saris, einen Wassereimer, ein Stück Seife und eine Strohmatte — und führen ein von Gottesdiensten, Gebet und
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