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Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Titel: Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?« (1. Korinther 6,19). Gottes Geist, seine Lebenskraft, finden wir also bei uns selbst. Um Gott zu begegnen, brauchen wir keine großartigen Kathedralen. Es kann reichen, ihn bei sich selbst zu suchen, deshalb konnte Jesus auch sagen: »Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten« (Matthäus 6,6). Aber auch das ist noch nicht alles.
    Jesus, der so gerne mit anderen Menschen gemeinsam gegessen hat und den Jüngern das Abendmahl zur Erinnerung an die Gemeinschaft mit ihm und untereinander hinterlassen hat, wollte sicher nicht, dass man nun plötzlich auf die Idee kommt, man könne Gott nur in der Einsamkeit finden. Deswegen konnte er genauso sagen: »Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen« (Matthäus 18,20). Vor allem als Räume für diese Gemeinschaft bauen Christen Kirchen; schließlich bezeichnete das Wort Kirche ursprünglich auch kein Gebäude, sondern die Gemeinschaft der Christen. Kirchen geben Raum für dieses Zusammensein, einen Raum, der anders ist als die Räume, in denen wir alltäglich ein- und ausgehen. In einigen Kirchen erzählen Bilder und bunte Fenster Geschichten von Gott, in anderen lässt gerade die reduzierte Kargheit wahrnehmen, wie wenig wir wissen können über Gott. In Kirchen kann man zu sich finden und zur Gemeinschaft mit anderen in einem Raum, der den Blick vom Alltäglichen weg auf das ganz andere lenken will. Wer schon einmal aus dem Einkaufsrummel mitten in einer Großstadt heraus in eine Kirche hineingetreten ist, hat das sicher schon gespürt. Auf einmal scheint man in eine andere Welt einzutreten, die Tür schließt sich hinter einem, der Alltagslärm bleibt draußen. Man kann zu sich finden und zu Gott. Dann ist er vermutlich da.
    KIRCHENMUSIK ist weniger wichtig als die Predigt
    Psalmen und gregorianische Gesänge, Orgelmusik und Posaunenchöre — Musik spielte in der Kirche von Anfang an eine große Rolle. Schon im Kolosserbrief wird die Gemeinde zum Singen aufgefordert: »Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen« (Kolosser 3,16). Das Nebeneinander von Lesungen und Psalmengesängen im Gottesdienst knüpfte an die jüdische Tradition an. Offenbar war man sich schon früh bewusst, dass Predigen und Reden, bei dem die Gemeinde nur passiv zuhört, allein zu einseitig und nicht gerade konzentrationsförderlich ist. Kirchenvater Ambrosius (339 – 397) stellte jedenfalls schon im vierten Jahrhundert fest: »Was hat man nicht für Arbeit, in der Kirche das Volk zum Schweigen zu bringen, wenn bloß vorgelesen wird! Sobald aber der Psalm ertönt, wird alles still.« Musik wurde einerseits als ein anderer Zugang zu religiösen Erfahrungen angesehen: »Nichts erbaut die Seele so sehr und beflügelt sie, löst sie von der Erde und befreit sie von den Fesseln des Leiblichen, befähigt sie zu hohen Gedanken und lässt sie alles Irdische verachten, wie die Melodie der Musik und ein mit Rhythmus erfülltes göttliches Lied«, meinte Johannes Chrysostomus (349 – 407). Andererseits war auch immer die Befürchtung groß, der bloße Genuss der Musik könne überwiegen oder sie könne sich zu sehr den weltlichen Einflüssen öffnen, sodass die eigentliche Botschaft zu kurz komme. Augustinus (354 – 430) zweifelte: »Und so schwanke ich hin und her zwischen der Gefahr der Sinnenlust und der Heilsamkeit des Kirchengesanges, die ich selbst erfahre.« Ein Jahrtausend später schwankte der Reformator Johannes Calvin auf protestantischer Seite noch mehr und ließ nur noch einstimmigen Gemeindegesang zu. Reformatorenkollege Ulrich Zwingli war sich sicher: »Die Orgel ist des Teufels Dudelsack,
womit er den Ernst der Betrachtungen in Schlummer wiegt«, und er entfernte Musik und Orgeln gänzlich aus den Kirchen. Luther dagegen sah die Sache zum Glück anders: »Die Musik ist eine Gabe und Geschenk Gottes, nicht ein Menschengeschenk. So vertreibt sie auch den Teufel und macht die Leute fröhlich; man vergisst dabei allen Zorns, Unkeuschheit, Hoffart und anderer Laster. Ich gebe nach der Theologie der Musik den nächsten Platz und höchste Ehre.« Er wollte die

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