Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer
als Aufforderung zum Flirt. Frauen erhalten dauernd inständige Einladungen zu Getränken, Essen, Spaziergängen und -fahrten. Männer halten sich für unwiderstehlich, lassen sich schwer abwimmeln, sie akzeptieren kein Nein. Sie verfolgen Frauen und geben dabei unangenehme Laute von sich. Sie berühren Frauen vorgeblich aus Versehen, manche fassen sie auch unverhohlen an. Extreme physische Aufdringlichkeit bis hin zur Vergewaltigung kommt in vereinzelten Fällen vor – meines Wissens sind Touristinnen im muslimischen Kulturkreis nicht stärker davon betroffen als anderswo.
Oft klagen Frauen darüber, dass sie im arabischen Raum von Männern nicht ernst genommen werden. Andere erleben, dass Männer sie ungefragt beschützen.
Eine erfahrene Ägyptenreisende erzählte mir, wie sie eines späten Abends zusammen mit einer Freundin in der mittelägyptischen Stadt Asyut eintraf. Die beiden Frauen wollten sich eine Unterkunft suchen und am nächsten Tag weiterreisen. Schon am Bahnhof der Stadt, in die sonst kaum Touristen kommen, sprach ein Soldat die beiden Deutschen an und erklärte, es sei unangebracht, dass sie allein durch die dunklen Straßen liefen. Eine Polizei-Eskorte wurde organisiert, sie brachte die Frauen in ein Hotel. Erst als die Polizisten sie sicher im Zimmer wussten, ließen sie die Frauen allein.
Im Allgemeinen – wenn wir schon beim Verallgemeinern sind – haben Frauen ein hohes Ansehen im islamischen Raum, auch wenn sie nicht dieselben Rechte genießen wie Männer. Der Ehrenkodex besagt, dass Männer sich höflich, hilfsbereit und unaufdringlich gegenüber fremden Frauen zu verhalten haben. Wenn sie es nicht tun, kann das verschiedene Gründe haben, von mangelhafter Erziehung bis hin zum Verhalten mancher Touristinnen: Wer offensiv sexuelle Verfügbarkeit signalisiert oder wer seine fast nackten Brüste über die Reling eines Kreuzfahrtschiffes baumeln lässt, fördert den Respektverlust gegenüber nicht muslimischen weiblichen Gästen.
Um in den Genuss der in der Kultur verankerten Zurückhaltung und Ehrerbietung der Männer gegenüber Frauen zu kommen, sollten Frauen sich den gesellschaftlichen Normen und Gepflogenheiten des Gastlandes anpassen. Das bedeutet zum Beispiel, Kopftuch zu tragen, wo dies üblich ist, und den Körper so weit zu bedecken, wie es die meisten einheimischen Frauen tun. Touristinnen, die sich aus Unkenntnis danebenbenehmen, haben selbst schuld, wenn ihre Reise anstrengend wird. Wer in ferne Länder reist, sollte sich vorbereiten – zumindest wenn er sich weder einer geführten Reisegruppe anschließt noch vorhat, den Urlaub ausschließlich innerhalb einer Hotelanlage zu verbringen. Es gibt Menschen, die nach Indonesien reisen, ohne zu wissen, dass es das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung ist: Knapp 90 Prozent aller 238 Millionen Indonesier gehören dem Islam an. Eine Ausnahme bildet Bali, dort sind die meisten Einwohner hinduistischen Glaubens – und dennoch gibt es eine große muslimische Gemeinde auf der Insel. Wer dies nicht ahnt, tritt bei Ausflügen womöglich von einem Fettnapf in den nächsten.
Die Auswahl an Vorbereitungsmöglichkeiten für eine Reise ist groß; nicht nur Reiseführer, sondern auch Romane, Dokumentar- und Spielfilme erzählen von fremden Ländern und Kulturen. Fast jedes Land, in dem es Tourismus gibt, hat ein Fremdenverkehrsbüro in Deutschland, das Info-Broschüren verschickt.
Touristinnen in muslimischen Ländern empfiehlt es sich, Männern nicht in die Augen zu schauen, körperliche Distanz zu halten und sich im Bus oder Zug nicht neben einen fremden Mann zu setzen. Falls nur Plätze neben Männern frei sind, ist es beispielsweise in der Türkei üblich, dass ein Mann sich erhebt und neben einen anderen Mann setzt, um Platz zu machen für unbegleitete Frauen. Als sehr zweckmäßig erweist es sich im Allgemeinen auch, einen Ring zu tragen und zu behaupten, man sei verheiratet (auch wenn man es nicht ist). Noch weiter auf der sicheren Seite stehen Frauen, die zusätzlich zum Ring ein Foto ihres (echten oder vermeintlichen) Ehemannes vorweisen können. Ob es für sie selbst erträglich ist, mit einer Lüge im Gepäck herumzureisen, muss jede ledige Frau für sich selbst entscheiden. Fakt ist: Es hilft.
Ansonsten sollten Frauen, die unbehelligt unterwegs sein möchten, ein selbstbewusstes, stolzes und bestimmtes Auftreten an den Tag legen. Aber kein zickiges. Ruft ein Nordafrikaner: »How many camel?«, bedeutet das
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