Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer
führt zu einer enormen Bordelldichte auf der thailändischen Seite der Grenzregion.
Es sind aber vor allem auch Thailänder, die sich in den Rotlichtvierteln ihres Landes bedienen lassen. Viele junge Männer bezahlen für ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Und wie in anderen asiatischen Ländern auch, gehört in der thailändischen Businesswelt ein Bordellbesuch zum gängigen Unterhaltungsprogramm rund um Vertragsverhandlungen und Geschäftsessen.
Seit Jahren wird in Thailand heftig darüber diskutiert, das Verbot der Prostitution aufzuheben. Befürworter der Legalisierung argumentieren, dass die Sexindustrie Geld einbringt, dass sie immer existieren wird und dass die Kriminalisierung zu noch mehr Kriminalität führt – beispielsweise zu Menschenhandel und Korruption. »Polizisten kontrollieren völlig willkürlich, nehmen Frauen mit zur Wache, kassieren Schmiergeld, dann kehren die Frauen zurück zu ihrem Job und machen eine längere Schicht, um das Geld wieder reinzuholen«, berichtete mir ein Deutscher, der in Pattaya lebt. »Polizisten erkaufen sich mit hohen Geldbeträgen ihre Arbeitsplätze bei Stationen, die für Rotlichtviertel zuständig sind, weil sie dort besonders viel Geld verdienen können. Diese Infos sind aus erster Hand, ich habe einen Bekannten bei der Polizei in Pattaya.«
Noch hadert die Regierung, aber der Druck internationaler Hilfsorganisationen, thailändischer Bürgerrechtler und nicht zuletzt die Aussicht auf zusätzliche Steuereinnahmen könnten in den nächsten Jahren zu einem Erfolg der »Legalize it!«-Kampagne führen.
TOTALITÄRE REGIMES SOLLTE MAN TOURISTISCH BOYKOTTIEREN
Wir reisen fröhlich herum, bestaunen Landschaft, Tempel, Märkte, wilde Tiere – nur mit den Menschen, da muss man vorsichtig sein. Am Ende jedes Reisetages unterhalten wir uns bis in die Nacht über das, was wir erfahren haben, unsere Eindrücke, unsere Gedanken – aber die Menschen, die hier leben, dürfen solche Gespräche nicht führen. Genussvoll nehmen wir fremde Klänge, Bilder, Düfte, Geschmäcker in uns auf – aber was hinter so manchen Zäunen und Mauern geschieht, das halten wir von uns fern. Wir haben uns einen Traum erfüllt und kehren bereichert nach Hause zurück – während viele Menschen, die hier zu Hause sind, von einem Überleben in Würde nur träumen können.
Ist das in Ordnung?
Darf man zu Erholungs- und Erlebniszwecken in Staaten reisen, in denen Menschen von Staats wegen mundtot gemacht, entführt, gefoltert, ermordet werden? Darf man sich die Freiheit nehmen, zur persönlichen Bereicherung an Orte zu reisen, in denen kaum Freiheit herrscht?
Nein!, sagt das Gefühl spontan bei vielen Menschen. Sie finden so ein Reiseverhalten geschmacklos.
Ja!, sagt das Gefühl spontan bei anderen. Man könne nicht den einzelnen Touristen verantwortlich machen für die Schlechtigkeit respektive die Verbesserung der Welt.
Sind Gefühle ein brauchbarer Ausgangspunkt für Entscheidungen dieser Art? Ich persönlich halte Gefühle hier für das wichtigste Argument. Sogar in der internationalen Politik geht es ja letztendlich nicht um Wissen, sondern um persönliches Empfinden, wenn das korrekte Verhalten gegenüber totalitär geführten Ländern diskutiert wird: Kommunikation oder Isolation? Hinfahren oder Fernbleiben?
Allerdings sollte man solche Empfindungen, die zu Überzeugungen und Handlungen führen, hin und wieder überprüfen und ihnen frische Nährstoffe verabreichen. Wie die folgenden.
A. Warum es in Ordnung ist, in diktatorisch regierte Länder zu reisen – fünf Argumente:
1. Kein Land der Welt ist politisch und menschenrechtlich makellos. So berichtete amnesty international im Jahr 2010, dass auf spanischen Polizeiwachen gefoltert wurde, in Finnland Asyl suchende Kinder verhaftet wurden, auf den Malediven Prügelstrafen verhängt wurden. In den USA werden bekanntlich Todesurteile vollstreckt, zudem sterben dort viele Menschen nach polizeilichen Waffeneinsätzen. Und, und, und. Wer dem Bösen aus dem Weg gehen will, sollte also zu Hause bleiben? Falsch. Denn auch in Deutschland findet amnesty international Missstände vor, wie etwa den für viele Migranten »eingeschränkten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung sowie zu Schulen und anderen Bildungseinrichtungen«. 66
2. Selbst in Ländern oder in Situationen, in denen es kaum möglich ist, offen und unbeschwert mit den Leuten zu sprechen, profitieren Einheimische von ausländischem Besuch. Sie freuen sich über das Interesse an
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