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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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aber trostloser Brief von * Ulich aus Cambridge USA. Es sei dort keine Aussicht. – * Frau Dember wieder mal hier, bei ihrer * Mutter in Altenberg: * Spitzer hat ein Liebesverhältnis mit seiner Assistentin * Rosemarie Burghardt, seine * Frau ist nach Oesterreich; er kann mit der Illegitimen nicht nach USA, bleibt deßhalb in Istanbul. Derart geht auch diese entfernte Hoffnung hin.
    Einmal nach vielen Monaten im Kino, Prinzeßtheater: Kosak u. Nachtigall; 2 ein so schauerlicher Hinterstentreppenmist, daß es keine Notiz lohnt. Aber darin die Rolle eines waffenschiebenden Levantiner = Scheusals. Gleich flüstert ein Mädel neben mir: Der Jude!
    Einmal zum Kaffee nach Abend, die * * * 3 Isakowitz hier. Er bot mir rührend Geld an, wenn meine Pension ausbliebe. Er sagt, seine Nerven seien am Ende, u. erwägt auszuwandern. –
    * Pflugk erzählte: Man sagt, sie haben allen ihr Wort gebrochen, nur den Juden nicht!
     

 
    15. 9. Sonntag gegen Abend .
    In meinem Leben habe ich nie so concentriert gearbeitet wie seit der Entlassung. Als wollte ich mir den Beweis liefern, daß ich noch etwas kann, u. daß mein Buch warten kann. Es ist wohl auch der Segen der Schreibmaschine: alles wird klar, ganz von mir losgelöst u. fertig, ich feile es bis zum letzten, es ist so druckfertig, daß es ohne mich veröffentlicht werden kann. Das Buch wird sehr gut – aber es wird immer länger u. dauert imer länger. Eben ist nach * D Alembert 1 : * Buffon 2 ganz fertiggestellt. Vielleicht schaffe ich den Band bis Ende des Jahres. Er wird etwa 500 Seiten (in der Form meiner Lit.-Gesch) umfassen. (Der zerbrochene Vertrag mit Teubner 3 sah 300 vor).
    – In meiner Sache u. der allgemeinen Sache ist alles unverändert. Ich erhalte noch immer vorläufig 480 M., die Regierung steht noch immer über aller Unzufriedenheit felsenfest, die Judenhetze wird immer noch schlimer, der Stürmer – Rassenschänder, Menschenmörder – immer noch irrsinniger.
    Viel Zeit nimmt mir die Correktur von * * Blumenfelds hinterlassenem Buch Jugend u Pubertät als Confliktssituation. Es sind stilistische Entgleisungen darin, eine Zeichnung stimmt nicht zum Text, alles ist in großer Hetze u. nicht völlig druckfertig geschrieben – u. ich trage die Verantwortung. Das Buch ist brav, enthält aber nichts, was ich nicht eh schon wußte. Bei mir selber wird die Sorgfalt des Feilens allmählich zur Besessenheit.
    Einmal schreibt B. von Frontalangriff u. Durchbruch des Jugendtrotzes. Ich merke mir an: das Abfärben des Stile troisième Empire. 4 –
    Hier beiliegend Brief Teubners 5 über principielle Entscheidung des Oberlandesgerichtes in München: Verträge mit nichtarischen Autoren gelten nicht. – Auch * Huebers Brief, 6 der mich verspätet erreichte.
     

 
    16/9. Montag .
    Ehe ich in das Cruxcapitel Nationalökonomen gehe, ein paar nachholende Worte.
    Volle 4 Wochen, bis letzten Sonnabend, hatten wir Umbauarbeit, jetzt steht noch das Anstreichen ( * Lehmann) bevor, u. im Garten baut * Lange am Katzenzwinger. Das Häuschen ist jetzt ein Haus, eigentlich eine Villa. Sehr elegant die große Diele, die aus der Überbauung der Stadtseitenterrasse entstanden ist, noch eleganter der Wintergarten, den die Verglasung der bisher nutzlosen Veranda am Musikzimmer ergibt (nebst festem Fußboden). Hier sind * E s besondere Freude die drei schmalen bunten Fensterstreifen. – Das ganze Unternehmen, mit Malerarbeiten, komt auf rund 1 600 M zu stehen, die ich von * Georgs 6 000 nahm. Mir bleibt eine Notreserve von etwa 600 M. – Ob ich recht getan habe? Es sprach mindestens ebensoviel dafür wie dagegen. Alles ist vollkomen ungewiß u. liegt in Schicksals Hand. –
    Ein paar Tage wurden uns kostenlos die Dresdener Nachrichten zugeschickt, ich glaubte, man müßte wieder einen Versuch mit Zeitunglesen machen – – es ging nicht, mir wird körperlich übel. Später – wenn ichs erlebe u. an der Sprache des 3. Reiches oder an der Sprache der 3 Revolutionen arbeite. Aber mein Herz wird früher versagen. –
    Ich lese nur die Zeitungsdepeschen u. Hetzanschläge u. = verse auf den Straßen.
    Aber ich frage jeden Besucher u. jeden, den ich treffe, nach seiner Meinung, seinen Neuigkeiten. Alle schwanken od. haben gegenteilige Meinung.
    Am 30/8. waren * * Wenglers bei uns mit ihrem englischen Vetter, einem sympathischen vierzigjährigen * Mr. Otto, Headmaster u. Romanist. (Alle Engländer, denen wir je begegnet sind, waren uns noch immer sympathisch, steif war keiner u. keine).

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