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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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recht tue, aber was ist sicher? – Pr. erzählt, der * Gemeindevorsteher sei schlecht auf mich zu sprechen, er habe die neue Überdachung beanstandet u. verächtlich von mir u. meinem Frontkämpfertum geredet, er sei eben ä Nazi. Daß neulich ein Gendarm von mir wissen wollte, seit wann ich eingebürgert sei, schrieb ich wohl; sie müßten über die Nichtarier in ihrer Gemeinde Bescheid wissen. Ich rechne wahrhaftig damit, daß man mir das Häuschen einmal anzündet u. mich totschlägt. –
    Wir nahmen am 11. 7. von * * Blumenfelds Abschied zwischen den Kisten in ihrer schon entleerten Wohnung. Sie fuhren am 13. nach Paris, gestern ging ihr Schiff von La Rochelle ab. Sie hinterließen uns eine Menge Sachen: einen Bronzekübel, Blumen u. Blumenbrett, Cigarren ... Ich gab ihm die Erstausgabe von * Hegels Phaenomenologie 1 (aus * Vaters Nachlaß, mein wertvollstes Stück Buch), ihr: die Vida del * Buscón. 2
    An * Evas Geburtstag (u. auch sonst öfter) war * Gusti W. hier. Sie ist allzu simplistisch. Ihre Sally Bleistift deutsch in russischem Verlag erschienen, aus dem Amerikanischen Original der Mary Mc.Millan hat in der Schweiz gute Kritiken.
    Eva bekam von mir ein paar Pflanzen – wir graben uns hier buchstäblich ein, wie im Schützengraben.
    Wir mußten einmal nach jahrelanger Pause zu den alten * * Kaufmanns; sie hängen sich wie die Kletten an uns, rührend u. gräßlich. Sie waren drei Monate bei ihren * * * Kindern in Palaestina. Sie empfingen u. bewirteten uns (trotz ihres Geizes!) überschwänglich, dankten für unseren Besuch; sie erzählten sehr interessant von ihrer Reise, während wir angenehm nach dem heißen Tag auf ihrem Balkon saßen u. zum Borsberg hinübersahen – aber sie erzählten auch strahlend mit offenbarem Stolz, daß * Frau Mey noch jede Woche bei ihnen sei, als Verbindungsoffizier, der da sie ja bei dem Bürgermeister verkehre u. sogar vom * Statthalter empfangen werde! * Eva sagte, der neueste jüdische Snobismus bestehe im Sympathisieren mit den N. s. Eva sagte Sie sprachen ohne Haß mit freundlichem Erinnern von * Thieme. Ich sagte, wenn ich die Macht hätte, würde ich ihn erschießen lassen. Von irgend jemandem in Jerusalem sagte K.: er fühle sich wohl u. sei doch vordem so assimiliert gewesen, wie Sie es waren , Herr Professor. Ich antwortete: Waren? Ich bin für immer Deutscher, deutscher ‹Nationalist› – Das würden die N. s nicht zugeben. – Die N. s sind undeutsch. Das war am 17. Juli, den ganzen 18. war uns beiden übel. –
    Wir hatten * * Wenglers hier, die jetzt verreist sind, u. einmal * Annemarie . Das sind tröstliche Menschen. –
    * Grete lag totkrank u. liegt noch in einem Berliner katholischen Krankenhaus (Skt Norbert). Ich schrieb ihr ausführlich (aber innerlich kalt u. fremd.) Meine Entlassung macht auf sie u. * Marta etc. gar keinen Eindruck. Ich habe auf meine Familie nie Eindruck gemacht. Wie wird sonst ein Abitur, Doctorat, eine Dozentur etc. gefeiert! Wenn ich soweit war, war das in meiner Familie immer schon das Gewohnte. Jetzt – im Entlassenwerden – ist es dasselbe: m ont devancé mes neveux. 1 –
    * Voßler (ein neues Spanienbuch von ihm! 2 ) schrieb mir, * Lerch habe gehen müssen, von einem Feinde denunciert, daß er * »mit einer Nichtarierin concubiniere. Der Nebbich * Pietrkowska! 1 V. schrieb noch – er kann es sich leisten! – in dieser Zeit müsse man auf Überzeitliches Wert legen u. nicht darüber klagen, daß man nicht mehr vor 20–30 gleichgeschalteten Sachsen u. Sächsinnen docieren dürfe. Er reise jetzt wieder nach Spanien. Aber er schrieb auch, er sei mehrfach bei * Spitzer für mich eingetreten, u. * Curtius sitze fest in Bonn u. concurriere nicht für Istanbul.
    Ich sagte (wie es in * Montesquieus Tagebüchern bei Aperçus heißt): * Blumenfeld solle beglückt nach Lima reisen, wir säßen hier wie in einer belagerten Festung, in der die Pest wüte . – Geht es einmal gegen diese Regierung, so müßte ein besonderer Professorenstoßtrupp gebildet werden. – Meine Principien über das Deutschtum u. die verschiedenen Nationalitäten sind ins Wackeln geraten wie die Zähne eines alten Mannes. –
    Ich denke oft an den Plan meiner, wie * Gusti sagt, Memoren. Aber es wird nicht mehr dazu komen. Ich fühle mich krank, der Weg den Park hinauf, greift mir immer ans Herz u. ist ein ständiges Memento.
    Gestern Abend – sehr, sehr heiße regenlose Tage – telephonierten uns * Isakowitz an, sie wollten uns zu einer Autopartie

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