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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Gesetzbuch ähnlich dem alten deutschen Recht ein 273
    Stilprobe : Das Reich nach 1870: das prahlte u. protzte mit Gold ... Herrliche Bilder von Straßen u. Märkten vergingen, um in den Städten roten Fabriken u. jüdischen Warenhäusern Platz zu machen. 312/313.
     
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    Das unmögliche Buch hat * Bernhard St. von seiner ahnungslosen * Mutter als Geburtstagsgeschenk bekomen. Er hat es verständnislos in sich hereingefressen, u. nun soll ich es ihm klarmachen. Ich habe es mit Brechreiz in Stichproben gelesen, immerhin mehrere Tage damit verbracht u. beinahe zwei Arbeitstage mit dieser, jetzt erst, am Nachm. des 2. Februar beendeten Notiz. – Da * Blunck eine Rolle spielt in der Literatur des 3. Reichs – ich glaube, er hat einen hohen Radioposten, 5 u. auf der letzten Seite dieses Bandes zeigt man seine gesammelten Werke in 20 Bden an – so ist die Arbeit sub specie LTI nicht umsonst geleistet. – Beachte besonders den * Bossuet-Vergleich.
     

 
    2.II.45
     
    Freitag Nachm. 2. Februar 45 .
     
    Bis jetzt Arbeit am unausstehlichen * Blunck, u. nun muß ich den Kram eine Stunde lang * Bernhard St. vortragen. –
    Gestern zu heut zwei Alarme, kellerlos; der erste, als wir bei der Abendsuppe saßen 20 10 – 20 35 ; der zweite heute gegen Morgen 3 40 –4 05 .
    Gehobene u. gespannteste Stimmung: die Russen nach gestrigem deutschem Heeresbericht nordwestlich Küstrin , nach englischem: in Landsberg a/W u. in Küstrin. Es zerrt aber an den Nerven schwere u. doppelte Essbedrängnis. Einmal sind alle Vorräte zuende u. herrscht Kartoffelnot, auch bekommt * E. in überfüllten Restaurants nichts zum Dortessen u. erst recht nichts zum Mitnehmen; und zum andern versagt das Gas nun auch in den freigegebenen Stunden fast völlig. Wasser ist kaum, Kartoffeln sind gar nicht zum Kochen zu bringen. Seit gestern durchleben wir Tiefststand der Ernährung. Ich stopfe bei schlechtem Gewissen u. quälenden Leibschmerzen trockenes Brod, u. E. übt sich im Hungern. Ich halluziniere ausreichendes Essen.
    Vor drei Jahren amtierte auf der Gemeinde in Emigrationssachen ein * RA Katz, 1 ein jüngerer liebenswürdiger Mann, mit dem sich E. in einigen Unterredungen anfreundete. Er kam dann als Obmann u. Transportleiter nach Riga. (Es war der Schub, mit dem der junge * Kreidl deportiert wurde, u. von dem * Kätchen Voß freikam.) Ich hörte dieser Tage, der Mann sei gestorben, sein * Sohn nach Deutschland geschafft worden. Ich fragte, wie gestorben? Es seien einige Juden aus Riga nach Schweden entkommen; so habe man Katz als verantwortlichen Obmann erschossen. – * Frau Stühler sagte vom Anblick der Flüchtlinge mit völliger Überzeugung: es sei die gerechte Strafe des Himmels für die Verschickung der Juden, sie habe keinerlei Mitleid. – Mitleid habe ich auch nicht, anzi – aber die Strafe Gottes trifft so gern den Unrechten, jedenfalls kümmert sie sich so gar nicht um das Individuum.
     

 
    Sonnabend Morgen 3. II. 45
     
    Wir kennen den gestrigen Heeresbericht nicht. * Frau St. brachte aus ihrem Geschäft heim, russische Panzerspitzen seien in Berlin eingedrungen; * E. von * Kreisler (+ * Winde u. * Richter), in Berlin sei alles chaotisch verstopft durch aufeinander prallende Flüchtlingsmassen u. Truppentransporte, u. auf dieses Chaos sei ein doppelter Fliegerangriff (der Anlaß zu unsern beiden letzten Alarmen) niedergegangen. Auf der Stühler- wie auf der Kreislerseite hatte man von Leuten gewußt, die den endgültigen Zusammenbruch in den allernächsten Tagen erwarteten.
    Inzwischen bringt uns Eß- u. Gasnot in völlige Verzweiflung; der heutige Morgen ein nervenzerreißendes Trauerspiel. Zeitweise brannte auf beiden Apparaten * Cohn u. Klemperer zusamen nur ein Flämmchen, auch das nur mit knallenden Pausen.
    Abends 19 h. Stimmung wieder sehr gesunken. Es kam Nachricht, daß die Russen nicht in Berlin seien, u. daß ihr Vormarsch gestop[p]t sei. Es kam Nachricht, daß die 4 Wochenrationskarte auf 4 ½ Wochen ausgedehnt sei – wo wir eh schon nicht entfernt mit dem Brod auch nur 4 Wochen ausreichen, u. wo wir in diesen letzten Tagen – fast ganz auf trocken Brod u. Pellkartoffeln ohne alle Zutat angewiesen – den Hunger bereits kennen gelernt haben. Danach wurde es ein schwerer Vormittag. Ich übernahm von E. in der Pillnitzerstr. – das Warten vor den Läden, besternt u. angestarrt! – 24
tb
Kartoffeln, ging mit der Last zu * Hesse, ob Kohle da sei – ja, er teile um ½ 12 aus – brachte die Kartoffeln nachhaus

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