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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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hätte! Aber aus allem! Sie durften in kein Theater, sie durften nur zu bestimmten Stunden einkaufen, ich habe * * Kinder, zehnjährige ganz abgesondert gesehen ... Ich sagte: []es war wohl in jeder Stadt dasselbe, es liegt mir zu sehr auf der Seele. Er: und ob ich denn an die Grausamkeit der Russen glaubte? Ich: im ganzen durchaus nicht, einzelne Bestien dürfte es überall geben ... die Feindschaft gegen die Sowje , etc. Er: das sei ja allgemein bekannt, was dieauf dem Gewissen habe. Er sprach auch noch von der Auflösung des Heeres. Viele desertierten. In Heidelberg habe er zwei aufgehängte Landser gesehen ... Und wieder von den in Regensburg verteilten, verschleuderten massenhaften Vorräten. Für E. fielen wieder eine Cigarette u. sogar eine Cigarre ab; es wird ein freudiges Erwachen geben .. Am meisten von alledem erschütterte mich sein spontanes Eintreten für die Juden. Er schien mehr von den Greueln zu wissen, als er sagte. Im übrigen: er sei ganz unpolitisch, er wolle mit den Seinen leben u. arbeiten können. Der Mann trägt die schwarze Jacke mit dem Totenkopf der Panzerleute; er ist jetzt Kraftfahrer u. erzählt von den schweren Gefahren u. Verlusten durch die Tiefflieger; er selber habe schon zwei Wagen verloren.
     

 
    Montag 23. April 45. Unterbernbach .
     
    Vorm . Küche, denn in der Stube vorn werden Brode geknetet – 13 Fünfpfünder zähle ich, u. in einem Hofbau hinter der Küche ist der Backofen angeheizt –, u. draußen ist schauerliches Wetter, Kälte, Regengüsse, aufgeweichter Boden, Pfützen. Es war schon gestern schlimm, wir konnten uns nur kurze Zeit an geschützten Stellen des Waldes aufhalten. –
    Seit gestern ständig zunehmend, unheimlich u. grausam die Tieffliegergefahr. Wir sahen gestern zwei unter den Wolken, einer verschwand, es knatterte, dann sah ich den andern sich steil herunterstürzend. Wir hörten sie in der Nacht, ich hörte sie früh auf dem Örtchen fast das Dach streifen, der heulende Ton des Herunterstürzens, das Donnern des Überdendächernstreifens sind Todesgeräusche. Die Straßen wimmeln von Militärautos, Camions, Motorrädern, bei Aichach hat es gestern Verluste gegeben – wir sind Front oder fast schon Front.
    Abends gestern bei * Flamenbeck (wo wir aßen), beim * Wirt gegenüber u. auf dem Platz dazwischen Wallensteins Lager u. Kinderkreuzzug. Von Ansbach her war ein Trupp einher Hj-Division zusamen mit Flüchtlingen aus Ansbach eingetroffen, anderes Kriegsvolk kam u. ging. Schrecklich, dieser Hj-Haufen. Knaben von 16, 15, noch jüngere u. ganz kindliche dazwischen in Uniform, über dem Rucksack ein Cape in sackbrauner oder fliegerbunter Farbe; die sollen mit der Panzerfaust kämpfen. Unter ihnen in Civil, was man an Jungen, richtiger: Kindern aus Ansbach mitgenommen hat,. Einige Erwachsene als Führer. In der Wirtsstube Kinderbetten auf Bänken hergerichtet. Beim Flamensbeck eine hübsche ganz junge Frau mit ihrem 5 Wochensäugling im Kinderwagen. (Dies u. das kleine * Asammädelchen schrieen um die Wette.) Der junge * Asam schaukelte sein Kind, die * * Töchter Flamensbeck wirtschafteten herum, Soldaten kamen, wurden mit Brod u. Milch bewirtet, gingen, wurden von anderen abgelöst, wir erhielten unser Milchsuppe, nachher unsern Milchkaffee mit Dampfnudel, zur jungen Ansbacherin trat ihr Mann herein, dem sie gefolgt war, in schwarzer Panzeruniform, berichtete vom gefundenen, unzulänglichen, morgen wieder zu verlassenden Nachtstrohlager. Die Frau erzählte: das Kind kam bei Fliegeralarm zur Welt, als es vier Tage alt war, mußte sie mit ihm in den Keller, jetzt floh sie mit ihm, den Kinderwagen auf einem Bagagewagen installierend, ins Unbekannte. Vom Schicksal ihrer Eltern – in Worms – wußte sie seit Wochen nichts. In ihrem Sprechen, auch in allem, was die Soldaten sagten, war völlige Hoffnungslosigkeit. Ein Soldat erbitterte sich über das Abschlachten der Knaben. Ich sagte zu * Eva: man spiele Spanien 1808. 1 Ein älterer Mann, etwa Vierziger, in Civil kam herein u. grüßte mit erhobener Hand u. Heil Hitler! Er schien ein Volksschullehrer u. offizieller Leiter der Jugendlichen. Er sagte zu den Ansbacher Leuten: mit einem Kind ließe sich wohl fliehen, aber er habe fünf, u. so habe er seine Frau u. die Kinder zurückgelassen – ich habe sie überrollen lassen[]. ( LTI . Man las überrollen eine Zeitlang in Ostberichten: deutsche Infanterienester lassen sich von Sowjetpanzern überrollen u. feuern dann von hinten. Jetzt also läßt sich

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