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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Inagaki Sugimoto: Heirat in Nippon (A daughter of the Narikin).
    Keine oder eine sehr unzulängliche Dichtung. Das Thema zerfällt, Charaktere und Probleme sind nicht vertieft, die für den Aussenstehenden gegebenen Sittenschilderungen haften zu oft am Kostüm. Trotzdem ein interessantes Buch. Ganz offenbar von einer Japanerin geschrieben, die in Amerika studiert hat und Amerikaner und Japaner, mehr noch altes und modernes Japan (auch Buddhismus und Christentum) versöhnen und mischen möchte. Die [T]ochter eines biederen Neureichen verbirgt ihre Liebe und heiratet als gehorsames Kind einen (ganz schattenhaft bleibenden) wertlosen Adligen, der um ihres Geldes willen eine Lehrerin im Stich lässt. Die junge Frau ist zuletzt Priesterin eines Buddhatempels; man weiss nicht, wie sie dahin gekommen, was aus ihrer Ehe geworden ist; denn die Handlung springt zur japanischen Gesellschaft nach New-York über, wo die enttäuschte Lehrerin den enttäuschten Liebhaber der Heldin No 1 kriegt ..
    Mich frappierte ein Wort, dem ich schon irgendwie begegnet bin, das aber diesmal sofort für die Sprache des dritten Reichs wichtig wurde. Die emancipierte Lehrerin, die sich nicht von ihrem conservativen älteren Bruder dirigieren und verheiraten lassen will, ist eine Moga = modern girl, und wenn ein alter ganz traditionsgebundener Herr aus der Provinz dies Wort Moga gebraucht, dann lachen seine [A]lters- und Gesinnungsgenossen. Die Wortbildung auf amerikanische Art ist also durchaus in mehrfacher Hinsicht pejorativ. Sie ist es auch bei den Franzosen: Mitsou. 2 Sie braucht nicht komisch zu degradieren, öfter technisiert und commercialisiert sie, was aber doch beides ein Abgehen von der Würde des rein Geistigen oder des Ideellen bedeutet. Und nun möchte ich wissen, wieviele Leute bei uns überhaupt nur die eigentlichen Bezeichnungen kennen, an deren Stelle SaA SA. und SS. stehen. (Ich selber weiss nur Schutzstaffel für SS.) SA und SS sind also im dritten Reich zur Eigenwürde erhoben.
    NB. Ich notierte dieser Tage aus zwei Unterführerreden, ich glaube: die eine von * Hess, 1 die andere von * Ley 2 : Unser Reich ist von dieser Welt und (am [G]rabe eines Danziger erstochenen SA-Mannes, aus dem das dritte Reich Propagandaprofit zog) * Ad. H., der die Toten von München zur Unsterblichkeit der ewigen Wache erhoben habe, verewige auch dieses Opfer der Bewegung, indem ein SA = Sturm seinen Namen erhalte. (Oder waren es zwei neue Unsterbliche und zwei SA = Stürme?)
    (Die Danziger [R]ede hat der SA-Stabschef * Lutze am 18. Juni gehalten).
     

 
    25. Juni. Freitag.
    Seit wir am Sonntag in Oybin waren, wovon noch zu berichten, bin ich bis heute überhaupt nicht gefahren, und heute auch nur auf notwendigen Stadtweg. Ursache die grosse Geldnot; ich weiss kaum noch, wie bis zum nächsten Zahltag weiter. Und heute, wo ich endlich einen Schlauch flicken lassen wollte, ergab sich (bei * Schlecht, dem grossen Spezialhaus in der Trompeterstr.) die Notwendigkeit, einen Reifen sofort, einen zweiten nach ein paar hundert Kilometern zu erneu[e]rn. Das bedeutet, zweimal 34 Mark. Ich weiss nicht wie durchkommen, zumal die Weg = und G[ara]gearbeit noch immer nicht fertig ist. Dieser immer verstärkte Druck, dazu die immer quälenderen Augenbeschwerden, nehmen mir allen Mut. Ich bin auch in früheren Jahren mehrfach in Geldnot gewesen; aber da war ich sozusagen ein ehrlicher armer Teufel. Diesmal ist meine Situation unendlich peinlicher. Ein Haus, ein Auto, und nicht wissen, womit die einfachsten und notwendigsten Dinge zu bezahlen. Es sieht nach betrügerischem Bankrott aus. Mit der Abschaffung des Autos wäre aber auch kaum geholfen; es würde mir keine 300 Mark einbringen, und die grosse Versicherung m[u]ss ich bis Ende des Jahres zahlen. Ich habe mich vor allem in den Kosten des Garage-und Wegebaus verrechnet, sodann erst in den Unterhaltungskosten des Wagens.
    Vor ein paar Tagen erschien nach neun Abends unangemeldet und im Schutze der Dunkelheit der * Inspektor Köhler, sich für unsere Condole[ m] nz bedanken. * Sein Sohn hat am Grabe der * Mutter einen Nervenzusammenbruch gehabt und ist zur Erholung bei Verwandten auf dem Lande, * Ellen K. ist zu ihm gefahren und der * Vater und Meistbetroffene sitzt hi[e]r allein und tut seinen Dienst. Er ist ein guter schlichter und tapferer Mann, uns ungemein sympathisch. Er blieb lange, trank Kaffee mit uns und ging offenbar in etwas besserer Stimmung weg, als er gekommen war. Ich sehe dienstlich in so viele

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