Klemperer, Viktor
* Göbbels['] vor den germanisierten Theaterleuten, die grösste Redehalle der Welt, die grösste Autobahn der Welt usw. usw. Die grösste Lüge der Welt[,] die grösste Schmach der Welt. Helf er sich ... Also im Fü-Li Ramona, 1 der bisher beste Farbenfilm. Ist es nur das Ungewohnte der Sache, oder sehen die Menschen, die schwarzweiss natürlich wirken, derart wirklich wie bemalte Wachsfiguren und der blaue Himmel und die grünen Bäume und gelben Felder wie Theatercoulissen aus? Und wenn es wirklich so ist – wieso? und wenn es nur in meiner Einbildung so ist – wieso? Aesthetische und psychologische Fragen, auf die mir die Antwort fehlt. Der Inhalt entsetzlich durch seine amerikanische Mischung aus Brutalität, Sentimentalität und geradezu blasphemischem Christentum. Der edle und sehr europäisierte Indianer wird von seinem Hof vertrieben, er wird unschuldig als Pferdedieb im Beisein seiner halbindianischen und sehr europäischen Frau erschossen, und schon ist tröstlicher Ersatz für ihn da, und Gott weiss, wozu alles gut ist, und der edle Indianer ist seiner Frau Nuur ein Weilchen vorausgegangen, aber in diesem Weilchen wird sie einen andern edlen Bewerber zu trösten haben. Aber in aller Ekelhaftigkeit prachtvolle Bilder (die Schafschur auf der kalifornischen Farm 1870, das Reiten und ausgezeichnetes Spiel insbesondere der Frau. – Im Freiberger Platz-Kino Gordian der Tyrann. 1 Wieder * Weiss Ferdl in einer Doppelrolle, diesmal als stockreactio[n]ärer Amtshauptmann eines süddeutschen Kleinstaates und als Schmierendirector, der ihn copiert und in der Betrunkenheit compromittiert. Also eine Abwandlung der beiden Seehunde, aber mit völlig anderen Charakteren. Neben Weiss Ferdl als versoffener Amtsdiener brillant * Joseph Eichheim. 2 Ihn sahen wir gleich danach ebensogut als pfiffigen und betrügerischen alten Bauern in Meiseken. 3 Das ist eine bairische Gaunerkomödie, in der zum erstenmal im Sprechfilm Berlinisch und Bairisch in Parallele gesetzt sind. Beim Grossvater zu Besuch ist das Berliner Ferienkind und beteiligt sich führend an der Gaunerei. * Rotraut Richter 4 unglaublich echt in der Maske des blassen halbwüchsigen Berliner Proletariermädels, Tragik des Elends unter dem frechen Humor und der vorwitzigen Frühreife – Art * Zilles 5 sagt * Eva.
Die Lektüre der letzten Wochen: * Spielhagen Platt Land. 6 Unendlich jungdeutsch. Um ein Jahrhundert älter als mancher andere Spielhagen. Und doch auch interessant und lebendig.
10. August: am Montag 9. VIII. T[h]üringenfahrt, 381 km.
Der Nachbar * Majores, ein freundlicher junger Mann, Kaufmann und Autofahrer, sagte mir heute: Bis 300 km. ist es ein Vergnügen, von da an artet es in Arbeit aus.
13. August. (So lange hat das Flicken des * Vauvenargues gedauert, nachdem ich den * Lanson aus Berlin erhalten.)
Wir fuhren also letzten Montag um ½ 10 ab, Kochhitze, Dunst – aber wir sind ohne Regen und Gewitter durchgekommen, seltene Sache in diesem Jahr, seitdem hat es schon wieder Wolkenbrüche gegeben, Hagel, zerrissene Strassen, Wasser in der Garage ... Auf der rechten Elbseite an Niederwartha vorbei; ein unüberholbarer Lastzug machte mich unglücklich (eine halbe Stunde später fuhren wir bei einer scheinbar harmlosen Überholung um Centimeter am Tod vorbei), aber der Blick auf den Meissener Dom ist von dieser Seite ungleich schöner und länger vorhanden als auf der drübigen. Dann die bekannte schöne Fahrt, erst längs der Elbe, dann über Parkland und durch Wald nach Oschatz und Leipzig. Kurz vor der Stadt rechts ab auf die Autostrasse nach Halle. Trostlos öde Landschaft, nicht etwa weite Ebene, sondern formlose Ackerstücke zwischen denen flach die graue Bahn durchgezogen. Bisweilen so hohe Böschungen, dass man [n]ur das Strassenband sieht und weniger also als vom Zugfenster aus. Hinter der Station Schkeuditz (einige Flugzeuge, aber von den Orten sieht man nur die Namensschilder, selber liegen sie weitab) setzt unterhalb der Autobahn, ein paar Stockwerke tiefer die Autobahn nach Bayreuth an. Auf ihr weiter. Lange Zeit gleiche Trostlosigkeit der Öde. Die vorhin erwähnten Böschungen wohl erst hier. * E. hatte Mittagshunger, mir war nach einem Schnaps, und nirgends eine Möglichkeit, das öde Band zu verlassen. In der Nähe eines Dorfes Pörsten vor einer Brücke über tiefen Einschnitt Parkplatz. Wir hielten. Ein Pfad führte über Acker, dann in eine waldige Einsenkung. Dort schien das Dorf zu liegen. Es war aber nur
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