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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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um’s Maul zu schmieren.« Dann ließ sie Mr. Turnbull allein, damit er über die Bedeutung dieser Bemerkung nachdachte, und stolzierte aus dem Speiseraum.
    *
    Der in den Vier Federn sitzende Lord Leakham hätte sofort begriffen, und ihm wäre im Moment ein Löffelchen Honig sehr lieb gewesen. Den Krabbencocktail, den er zwar nicht bestellt hatte, der ihm aber vom Oberkellner aufgedrängt worden war, hatte man anscheinend in Tabascosoße mariniert; aber das war noch gar nichts, verglichen mit dem Poule au Pot Eduard der Vierte. Beim ersten Bissen verschlug es ihm die Sprache, und er kam zur festen Überzeugung, er habe Ätznatron oder irgend eine ähnlich schreckliche, beißende Substanz verschluckt. »Das Huhn sieht lecker aus«, bemerkte Sir Giles, während der Richter verzweifelt nach Atem rang. »Es handelt sich um eine Spezialität der Maison, verstehen Sie.« Lord Leakham verstand gar nichts. Mit Tränen in den Augen griff er nach seinem Glas Wein und nahm einen großen Schluck. Einen Moment lang gab er sich der Illusion hin, der Wein würde ihm helfen – eine trügerische Hoffnung. Trotz der Verätzung durch das Poule au Pot war sein Gaumen immer noch empfindlich genug, um ihm eins mitzuteilen: Was auch immer er gerade zu schlucken im Begriff war, um 64er Chambertin handelte es sich ganz sicher nicht. Zum einen schien es eine Art Kies zu enthalten, der ihn an gemahlenes Glas erinnerte, und zum andern war das Zeug – soweit er schmecken konnte – ekelhaft süß. Seinen Brechreiz unterdrückend, hielt er das Glas gegens Licht und glotzte in die trübe Untiefe. »Irgend etwas nicht in Ordnung?« wollte Sir Giles wissen. »Was soll das Ihrer Meinung nach sein?« fragte der Richter. Sir Giles warf einen Blick auf das Etikett. »64er Chambertin«, murmelte er. »Schmeckt er nach Kork oder irgendwas?«
    »Irgendwas ist es ganz sicher«, sagte Lord Leakham, dem es lieber gewesen wäre, man hätte diese Brühe niemals in Flaschen abgefüllt, geschweige denn verkorkt.
    »Ich bestelle eine neue Flasche«, sagte Sir Giles und winkte dem Weinkellner.
    »Nicht wegen mir, ich flehe sie an.«
    Doch es war zu spät. Als der Weinkellner forteilte, nahm Lord Leakham, durch die merkwürdigen Ablagerungen unter seiner oberen Gebißprothese abgelenkt, gedankenverloren noch einen Happen Poule au Pot zu sich.
    »Ich selbst fand auch, daß er ein wenig dunkel aussah«, sagte Sir Giles, ohne die Verzweiflung in Lord Leakhams Augen zu beachten. »Ein Weinkenner bin ich nicht gerade, das muß ich allerdings zugeben.«
    Immer noch um Atem ringend, schob Lord Leakham seinen Teller beiseite. Einen Augenblick noch widerstand er der Versuchung, die Flammen mit abgelagertem Portwein zu löschen, doch dann wischte die absolute Gewißheit, nie wieder sprechen zu können, falls er nichts unternahm, sämtliche geschmacklichen Erwägungen vom Tisch. Lord Leakham leerte sein Glas.
    *
    Im Schankraum des Handyman-Wappens verkündete Lady Maud, Getränke gingen auf Kosten des Hauses. Dann überquerte sie den Marktplatz und betrat die Gaststätte Ziege und Becher, wo sie ihre Anordnung wiederholte, ehe sie sich auf den Weg in die Rote Kuh machte. Hinter ihr füllten sich die Kneipen mit durstigen Bauern, und um zwei Uhr trank ganz Worford auf Lady Mauds Wohl und den Untergang der Autobahn. Vor dem alten Gerichtsgebäude machte sie für ein kurzes Schwätzchen bei den Fernsehleuten halt. Eine Menschenmenge hatte sich versammelt und bejubelte Lady Maud, als sie das Gebäude betrat.
    »Ich muß schon sagen, die Öffentlichkeit haben wir offenbar auf unserer Seite«, meinte General Burnett auf dem Weg in den Sitzungssaal. »Heute morgen dachte ich allerdings, die Aussichten wären nicht so rosig.«
    Lady Maud lächelte in sich hinein. »Ich glaube, Sie werden noch sehen, wie sie heute nachmittag so richtig aufblühen«, sagte sie und rauschte majestätisch in den Gerichtssaal, wo der Oberst nebst Mrs. Chapman mit den Bullett-Finches plauderten. »In seiner Tätigkeit als Richter hat Leakham sehr gute Arbeit geleistet«, sagte Oberst Chapman gerade. »Ich glaube, wir können uns darauf verlassen, daß er unseren Standpunkt versteht.«
    *
    Als er das Mittagessen beendet hatte, war Lord Leakham keineswegs mehr fähig, irgendeinen Standpunkt außer seinem eigenen zu verstehen. Was Tabascokrabben und Poule au Pot begonnen hatten, war durch den 64er Chambertin und seinen Nachfolger (einen besseren Essig, auch wenn es Sir Giles vorzog, ihn für einen trockenen

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