Klex in der Landschaft
Premierminister, als er sie auf dem Fernsehschirm zu Gesicht bekam, »wie können die sich sowas überhaupt erlauben, verdammt noch eins?«
»Sieht mir ganz so aus, als hätte sie ein paar Zähne verloren«, meinte der Minister für Auswärtige Angelegenheiten. »Hängt da nicht eine Brustwarze raus?«
Lady Maud lächelte tapfer und brach auf dem Gehsteig zusammen.
»Ich werde umgehend eine ärztliche Untersuchung veranlassen«, sagte der Innenminister.
»Wer zum Teufel hat Leakham überhaupt mit diesem Amt betraut?« knurrte der Premierminister.
»Er schien damals für diese Aufgabe genau der richtige unvoreingenommene Mann zu sein«, murmelte der Umweltminister. »Soweit ich mich erinnern kann, ging man davon aus, eine Untersuchung würde die Öffentlichkeit in der Gegend zufriedenstellen.«
»Zufriedenstellen ...?« setzte der Premierminister an, nur um gleich darauf durch einen Anruf des Lordkanzlers unterbrochen zu werden, der sich beklagte, die Rechtsstaatlichkeit bräche zusammen, und auch als man ihm erklärte, Lord Leakham sei ein pensionierter Richter, murmelte er geheimnisvoll, Recht und Gesetz seien unteilbar.
Der Premierminister legte den Hörer auf und wandte sich an den Umweltminister. »Das ist Ihr Bier. Sie haben uns diese Suppe eingebrockt. Sie werden sie auch wieder auslöffeln. Man sollte doch meinen, wir hätten die absolute Mehrheit.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte der Premierminister mit grimmiger Miene. Auf dem Bildschirm brannte Lord Leakhams Rolls-Royce lichterloh. Der Umweltminister eilte aus dem Zimmer und wählte die Privatnummer seines Staatssekretärs. »Ich will, daß ein Vermittler nach Worford geschickt wird, der diesen Schlamassel in Ordnung bringt«, sagte er.
»Ein Vermittler?« Mr. Rees, der grippekrank und mit fast 40 Grad Fieber im Bett lag, war nicht in der geeigneten Verfassung, um ministerielle Forderungen nach Vermittlern bewältigen zu können.
»Jemand mit einem Gespür für Public Relations.«
»Public Relations?« fragte Mr. Rees und kramte in seinem Gedächtnis nach einem Untergebenen, der irgendwas von Public Relations verstand. »Kann ich Sie das bis Mittwoch wissen lassen?«
»Nein«, sagte der Minister, »ich muß dem Premierminister melden können, wir hätten die Situation im Griff. Ich will, daß allerspätestens morgen früh jemand unterwegs ist. Wir brauchen da oben einen, der die Verhandlungen in die Hand nimmt. Ich verlasse mich darauf, daß Sie einen Menschen aussuchen, der wirklich Initiative zeigt. Keine Ihrer alten dilettantischen Durchschnittsexistenzen. Einen, der aus dem Rahmen fällt.« Mit einem Seufzer legte Mr. Rees den Hörer auf. »Einen, der aus dem Rahmen fällt, also wirklich«, grummelte er. »Vermittler.« Er fühlte sich gekränkt. Er mochte es nicht, wenn man ihn zu Hause anrief, er mochte es nicht, wenn man ihm befahl, schnelle Entscheidungen zu treffen, er mochte den Minister nicht; und am allerwenigsten mochte er die Unterstellung, seine Abteilung bestünde aus alten dilettantischen Durchschnittsexistenzen.
Er nahm noch einen Löffel Hustensaft und dachte über einen geeigneten Kandidaten nach, den er nach Worford schicken könnte. Harrison hatte Urlaub. Beard war mit dem Tanker- Terminal in Scunthorpe beschäftigt. Dann war da noch Dundridge. Dundridge war völlig ungeeignet. Aber der Minister hatte unmißverständlich jemanden verlangt, der aus dem Rahmen fiel, und Dundridge fiel unbedingt aus dem Rahmen. Daran gab es nichts zu rütteln. Mr. Rees legte sich wieder ins Bett, den Kopf von der Grippe benebelt, und rief sich einige Projekte Dundridges ins Gedächtnis. Da hatte es ein System von Einbahnstraßen für das Zentrum Londons gegeben, das dermaßen inflexibel war, daß man unmöglich von Hyde Park Corner zum Piccadilly hätte fahren können, es sei denn über die Tower-Bridge und die Fleet Street. Außerdem hatte es da noch sein Pilotprojekt zur Einführung von Ampeln auf Halbleiterbasis in Clapham gegeben; die Anlagen hatten den Verkehr nicht einmal halb, sondern überhaupt nicht geleitet, so daß dieser Vorort fast eine Woche lang vom übrigen London abgeschnitten gewesen war. Rein praktisch betrachtet war Dundridge eine absolute Katastrophe. Andererseits hatte er wirklich ein Gespür für Public Relations. Seine Ideen klangen gut, und Jahr für Jahr war Dundridge befördert worden, nach oben gespült von einer unausweichlichen Welle der Inkompetenz und der Notwendigkeit, die Öffentlichkeit so
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