Klex in der Landschaft
gerecht und übertraf sie bei weitem. Ein zweiter Champagnerkorken schoß in die höheren Regionen des Zimmers, die Ente verschwand, um von Erdbeeren mit Schlagsahne gefolgt zu werden, und Dundridge verlor selbst die letzten kümmerlichen Reste von Hemmungen und sogar das Gefühl, an der Tatsache, daß er mit einer verheirateten Frau, deren Ehemann geschäftlich verreist war, allein zu Abend speiste, könnte irgend etwas ungewöhnlich sein. Angesichts seiner überschäumenden Fröhlichkeit und Lady Mauds Zustimmung war für derartige Erwägungen kein Platz. Unter dem Tisch bekräftigte ihr Knie die versteckten Andeutungen ihres Lächelns, auf dem Tisch lag ihre Hand schwer auf der seinen und zeichnete die Umrisse seiner Finger nach, und als sie nach dem Kaffee seinen Arm ergriff und ein Tänzchen vorschlug, hörte Dundridge sich sagen, es sei ihm ein Vergnügen. Arm in Arm gingen sie durch den Korridor zum Ballsaal mit dem federnden Parkettboden. Erst dort, als die Lüster den großen Saal hell erleuchteten und eine Schallplatte sich auf dem Plattenspieler drehte, wurde Dundridge klar, auf was er sich eingelassen hatte. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie das Tanzbein geschwungen.
*
Klex kam den Hügel von Wilfred’s Castle hinunter. Eine Woche lang hatte er den Royal George in Guildstead Carbonell und Mrs. Wynn gemieden. Er hatte sich an eine andere Kneipe gewöhnt, die am Weg von der Kirche zur Straße nach Ottertown lag. Sie hatte zwar nicht die Qualität des Royal George, sondern bestand lediglich aus einem Raum mit Bänken an den Wänden und einem Faß Handyman-Bier in einer Ecke, doch ihre bedrückende Atmosphäre paßte zu Klexens Stimmung. Nachdem er schweigend acht Halbe konsumiert hatte, war die nötige Bettschwere erreicht. Er schwankte den Hügel hoch an der Kirche vorbei und starrte verblüfft auf das Herrenhaus: Im Ballsaal waren die großen Lampen eingeschaltet. Klex konnte sich nicht erinnern, wann er sie das letzte Mal in Aktion gesehen hatte; jedenfalls nicht nach Lady Mauds Hochzeit. Sie warfen gelbe Rechtecke auf den Rasen, und der an den Ballsaal grenzende Wintergarten mit seinen Farnen und Palmen leuchtete grün. Er stolperte den Weg hinunter und über die Brücke in die Schonung. Hier war es zwar stockfinster, aber Klex fand sich instinktiv zurecht. Am Tor verließ er die Schonung und ging über den Rasen zur Terrasse.
Musik, altmodische Musik, drang zu ihm heraus. Er ging um die Ecke und spähte durch das Fenster.
Im Saal tanzte Lady Maud; oder sie lernte tanzen; oder sie brachte jemandem das Tanzen bei. Klex fiel es schwer, sich zu entscheiden. Unter den großen Kronleuchtern vollführte sie derart behutsame und ungraziöse Bewegungen, daß es ihm den Atem verschlug. Auf und nieder, rundherum, mit mächtigen Schwüngen und doppelten Drehungen fegte sie durch den Raum, was das Parkett unter ihr in sichtbare Schwingungen versetzte, und in ihren Armen hielt sie einen kleinen dünnen Mann mit einem Ausdruck gespannter Konzentration im Gesicht. Klex erkannte ihn wieder. Es war der Mann vom Ministerium, der vor einer Woche zum Mittagessen geblieben war. Er hatte ihn schon damals nicht ausstehen können, doch jetzt war er ihm noch eindeutiger zuwider. Und Sir Giles war verreist. Als Klex vom Blumenbeet herunter– und vom Fenster wegstolperte, fühlte er sich ganz elend vor Abscheu. Er war nahe daran, ins Haus zu gehen und ihnen die Meinung zu sagen. Das würde allerdings nichts bringen. Unsicheren Schrittes ging er zur Vorderseite des Hauses. Dort stand ein Auto. Er sah es sich genauer an. Der Wagen des Mannes. Geschah dem Scheißkerl recht, wenn er nach Hause laufen mußte. Klex kniete sich neben einen Vorderreifen und schraubte das Ventil ab. Dann ging er zum Kofferraum und ließ die Luft aus dem Reservereifen. Das würde dieses Schwein lehren, mit anderer Leute Frauen herumzuturteln. Klex torkelte die Einfahrt hinunter zum Pförtnerhaus und kletterte ins Bett. Durch das kreissrunde Fenster sah er das Licht aus dem Herrenhaus. Als er einschlief, leuchtete es immer noch, und durch die Nachtluft schwebten zarte Posaunenklänge.
Kapitel 15
Was die Drinks, das Dinner und Lady Mauds unverdrossene Koketterie bei Dundridge bewirkt hatten, war durchs Tanzen wieder verflogen. Das galt in erster Linie für ihre Darbietung eines langsamen Walzers, bei dem Dundridge sich innerlich auf einen Bandscheibenvorfall einstellte, während ihr Tango ihn an den Rand eines Leistenbruches brachte. Alle seine
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