Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
Mauds irrige Reaktionen darauf wie Wellen über ihn hereinbrachen. Nur sein Verstand blieb unbehindert, sein Verstand und seine Hemmungen. Während er sich in ihren Armen wand, überschlugen sich in seinem Kopf diverse Schlußfolgerungen, eine greulicher als die andere. Er hatte sich im Zimmer geirrt, sie hatte sich in ihn verliebt, er teilte das Bett mit einer Nymphomanin, sie lieferte ihrem Mann den Scheidungsgrund, sie verführte ihn. Am letzten Punkt gab es nichts zu deuteln. Sie verführte ihn, daran ließen ihre Hände keinen Zweifel, ganz besonders ihre linke. Der an die rein abstrakten Reize seiner idealen Mischfrau gewöhnte Dundridge kam mit der Unerfahrenheit einer wirklichen Frau – und Lady Maud war sowohl wirklich als auch unerfahren – nur schwer zurecht. »Hier liegt ein schreck –«, piepste er, als Lady Maud gerade nach Luft schnappte, doch gleich darauf preßte sie ihren Mund auf den seinen und brachte seinen Protest zum Verstummen und ihn an den Rand des Erstickungstods. Von wahrhaft herkulischer Empörung getrieben, schleuderte Dundridge sich und Lady Maud, die immer noch wie eine Klette an ihm hing, aus dem Bett. Während er sich hochrappelte, fiel der Nachttisch krachend zu Boden. Im nächsten Moment rannte Dundridge aus dem Zimmer und den Gang entlang. Hinter ihm taumelte Lady Maud ans Bett und zog an der Lampenschnur. Von der Vehemenz seiner Zurückweisung und vom Nachttisch, der sie am Kopf getroffen hatte, benommen, schleppte sie sich auf den Gang und schaltete das Licht an; von Dundridge keine Spur.
    »Warum denn so schüchtern?« rief sie, bekam aber keine Antwort. Sie ging ins nächste Zimmer und machte Licht kein Dundridge. Auch das Nebenzimmer war leer. Sie ging durch alle Räume, knipste Lampen an und rief seinen Namen, doch Dundridge war verschwunden. Sogar das Bad war nicht verschlossen und leer, und als sie gerade überlegte, wo sie als nächstes suchen sollte, erregte ein vom Etagenabsatz kommendes Geräusch ihre Aufmerksamkeit. Sie ging zurück, machte Licht in der Eingangshalle und ertappte ihn, wie er gerade auf Zehenspitzen die Treppe hinunterschlich. Einen Moment lang stand er da, ein versteinerter Satyr, der sie mitleidheischend ansah, dann raste er die Treppe hinunter und quer über den Marmorfußboden, seine dünnen Beinchen und bleichen Füße huschten über die Karos. Lady Maud beugte sich über das Treppengeländer und lachte. Als sie die Treppe hinunterging, lachte sie immer noch, sie lachte und hielt sich am Treppengeländer fest, um nicht hinzufallen. Ihr Lachen schepperte durch die Leere der Eingangshalle und wanderte durch die Korridore.
    Im Dunkel nahe der Küche hörte Dundridge es mit Schaudern. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand, und das Gelächter hatte etwas Irres, das ihm Angst machte. Als er gerade überlegte, was zu tun sei, sah er vor dem Hintergrund der Eingangshallenbeleuchtung am Ende des Ganges ihren massigen Umriß. Sie hatte mit dem Lachen aufgehört und starrte angestrengt in die Düsternis.
    »Alles in Ordnung, Sie können jetzt rauskommen«, rief sie, aber so dumm war Dundridge nicht. Ihm war nun klar, weshalb sein Wagen zwei Platten hatte, und weshalb er in Sir Giles’
    Abwesenheit ins Herrenhaus eingeladen worden war. Bei Lady Maud handelte es sich um eine wahnsinnige Nymphomanin. Er war allein in einem riesigen Haus irgendwo am Arsch der Erde, unbekleidet, mit einem fahruntüchtigen Auto sowie einer äußerst kräftigen und nackten Verrückten. Nichts auf Gottes weitem Erdboden würde ihn bewegen, sein Versteck zu verlassen. Als Lady Maud sich den Gang entlangschleppte, ergriff Dundridge die Flucht; er stieß gegen einen Tisch, taumelte gegen ein eisernes Treppengeländer und raste die Dienstbotentreppe hoch. Hinter ihm ging die Beleuchtung an. Am Etagenabsatz angekommen, warf er einen Blick zurück und in Lady Mauds Gesicht, das zu ihm hochstarrte. Der eine flüchtige Blick genügte, um seine Ängste zu bestätigen. Der verschmierte Lippenstift, die Rougeflecken und das wirre Haar– reif für die Klapsmühle. Dundridge hastete in einen anderen Gang, und hinter ihm erscholl der endgültige Beweis ihres Wahnsinns.
    »Halali«, schrie Lady Maud. »Entwischt isser.« Dundridge machte sich aus dem Staub, so schnell ihn seine Füße trugen. *
    Im Pförtnerhaus wachte Klex auf und schaute aus dem runden Fenster. Vor der Silhouette der Berge konnte er vage den dunklen Umriß des Herrenhauses ausmachen, und als er sich gerade umdrehen und

Weitere Kostenlose Bücher