Klex in der Landschaft
überlegte, was zu tun sei. Eigentlich konnte er ja bloß die Raketen verwenden. Er brauchte lediglich eine Schnur an die Stabilisierungsflosse zu binden und das Ding von oben auf den Safe fallen zu lassen. Das würde seinen Zweck genauso gut erfüllen, wie wenn er eine Rakete auf den Safe abfeuerte. Da er andererseits schon mal hier war, konnte er das APIG ruhig mit nach Hause nehmen und reinigen. Es gab bestimmt ein interessantes Souvenir ab. Den Granatwerfer und die Kartons mit den Granaten legte Klex wieder in das Loch und schüttete es zu. Dann machte er sich mit der langen Kiste auf den Heimweg. Sie war sehr schwer, und er mußte öfter anhalten und ausruhen. Als er beim Pförtnerhaus ankam, war es dunkel. Er wuchtete die Kiste in sein Zimmer und ging noch einmal weg, um die Raketen zu holen, die er nicht in sein Zimmer trug, sondern draußen im Gras liegen ließ. Er hatte keine Lust, neben dreißig Jahre alten Raketen zu schlafen.
Am Morgen stand er früh auf und machte sich in der Schlucht zu schaffen. Er brachte den Safe mit einer Schubkarre hinunter und stellte ihn hochkam am Fuß eines Felsens auf. Dann band er eine lange Schnur um den Drehknopf des Kombinationsschlosses und stieg mit dem Ende auf den Felsen, wo er es an einem überhängenden Ast befestigte, so daß die Schnur nun etwa fünfzehn Meter tief direkt bis zum Safe führte. Schließlich griff er sich zwei der mit Stabilisierungsflossen versehenen Projektile und band ein kurzes Stück Schnur an die Flosse des einen. An dem anderen Schnurende befestigte er einen Ring, band die lange Schnur los, steckte sie durch den Ring und knotete sie anschließend wieder an den Ast. Dann legte er sich auf den Felsen und entfernte die Schutzkappe vom Sprengzünder an der Raketennase. Klex warf einen Blick über den Felsrand. Direkt unter ihm stand der Safe. Er streckte die Hand mit der APIG–Bombe aus, ließ los und sah zu, wie sie an der Schnur hinunterstürzte. Im nächsten Augenblick blitzte und krachte es. Als Klex die Augen schloß und den Kopf zurückzog, sauste auch schon etwas an ihm vorbei hoch in die Luft. Er sah nach oben. Die Raketenflosse erreichte ihren Scheitelpunkt, beschrieb eine Kurve und landete hinter ihm auf der Straße. Er erhob sich und ging zum Safe hinunter. Die Bombe hatte das Kombinationsschloß zwar verfehlt, aber dennoch ganze Arbeit geleistet und ein bleistiftgroßes Loch in die Vorderseite des Safes gesprengt. Die Tür war offen.
Lady Maud frühstückte gerade, als sie die Detonation vernahm. Einen Moment lang dachte sie, Klex sei auf Kaninchenjagd; doch der Explosion folgten eine Erschütterung und ein Echo, die auf etwas Heftigeres als einen Gewehrschuß hindeuteten. Sie ging nach draußen und sah, daß Klex auf der anderen Seite des Flusses den Felsenweg herunterkam. Natürlich – der Safe. Er hatte geschworen, er würde ihn aufsprengen, und jetzt war es passiert. Sie rannte quer über den Rasen, durch die Schonung und über die Fußgängerbrücke. Sie kam bei Klex an, als der sich gerade über den Safe beugte. »Haben Sie es geschafft?« fragte sie.
»Ja, er ist offen«, sagte Klex, »aber viel ist nicht drin.« Das sah Lady Maud auch. Der Safe war innen viel kleiner, als sie erwartet hatte, und schien lauter verbrannte, angekohlte und zerrissene Papierfetzen zu enthalten. Sie nahm einen heraus, der sich als Teil eines ehemaligen Fotos entpuppte. Sie hielt das Fragment in die Höhe und sah es sich genauer an: offenbar die Beine eines nackten Mannes. Sie griff wieder in den Safe und nahm noch ein Teil heraus, diesmal einen Arm, einen nackten Arm, und etwas, das wie eine Frauenbrust aussah. Sie schaute noch einmal in den Safe, der aber außer den Fotofetzen nichts enthielt.
»Ich hole mal eben einen Umschlag«, sagte Lady Maud. »Nichts anfassen, bis ich wieder da bin.« Nachdenklich ging sie zurück zum Herrenhaus, während Klex die unbenutzte APIG- Bombe vom Felsen herunterholte. Nun wußte er wenigstens, daß sie funktionierten. »Wer weiß, wozu die noch mal gut sind«, sagte er sich und trug sie zum Pförtnerhaus zurück. Eine Stunde später lag der Safe am Fuß des Felsens unter ein paar Sträuchern vergraben, und Klex hatte sich wieder in den Küchengarten verzogen. Im Arbeitszimmer saß Lady Maud am Schreibtisch, betrachtete die Überreste der Fotos und versuchte herauszufinden, welche Körperteile zueinanderpaßten – eine schwierige und nicht sehr erbauliche Aufgabe. Um sie ordentlich zusammenzusetzen, waren die
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