Klex in der Landschaft
Sache ausgebrütet, an diesem Schreibtisch, wo schon ihr Vater und Großvater gesessen hatten, und hier würde auch sie sitzen und nachdenken, bis sie einen Weg gefunden hätte, wie sie die Autobahn aufhalten und ihn vernichten konnte. Für sie gehörte beides untrennbar zusammen. Giles hatte sich die Autobahn ausgedacht, er sollte daran zugrunde gehen. Sie empfand keinerlei Gewissensbisse. Sie war von einem Mann, den sie immer verachtet hatte, reingelegt und betrogen worden. Um das Anwesen und die Familie zu bewahren, hatte sie sich an ihn verkauft, und das Wissen über ihre eigene Schuld gab ihrer Entschlossenheit nur noch mehr Auftrieb. Wenn nötig, würde sie sich jetzt dem Teufel verkaufen, um Giles aufzuhalten. Lady Maud setzte sich hinter den Schreibtisch und starrte zur Inspiration auf die filigranen Muster am silbernen Tintenfaß ihres Großvaters. Es hatte die Form eines Löwenkopfes. Nach einer Stunde fiel ihr die gesuchte Lösung ein. Sie griff zum Telefon und wollte gerade den Hörer abnehmen, als es klingelte. Es war Sir Giles, der aus London anrief.
»Ich wollte dir nur Bescheid geben, daß ich dieses Wochenende nicht nach Hause komme«, sagte er. »Meine Abwesenheit kommt zwar jetzt, wo diese Autobahngeschichte im Gange ist, verdammt ungelegen, ich weiß, aber ich kann wirklich nicht weg.«
»Ist schon in Ordnung«, meinte Lady Maud und täuschte ihre übliche Gleichgültigkeit vor, »wahrscheinlich werde ich auch ohne dich damit fertig.«
»Wie ist denn der letzte Stand?«
»Wir hatten gerade eine Komiteesitzung, um die nächsten Schritte zu besprechen. Wir denken an landesweite Protestveranstaltungen.«
»Genau das, was wir brauchen«, sagte Sir Giles. »Ich gebe mir hier alle erdenkliche Mühe, den Minister dazu zu bringen, daß er die Sache noch mal überdenkt. Mach du nur so weiter wie bisher.« Er legte auf. Lady Maud lächelte grimmig. Sie würde allerdings so weitermachen wie bisher. Und er sollte sich ruhig alle erdenkliche Mühe geben. Sie nahm den Hörer ab und wählte. In den nächsten beiden Stunden sprach sie mit ihrer Bank, dem Chefwärter des Zoos von Whipsnade, dem Wildhüter des Woburn-Großwildparks, den Geschäftsführern von fünf kleinen Privatzoos und einer Spezialfirma für die Errichtung von Zäunen in Birmingham. Anschließend ging sie nach draußen und suchte Klex.
Seit der Nacht, als Dundridge sie besucht hatte, machte sie sich Sorgen wegen Klex’ Verhalten. Sich so zu benehmen, sah ihm gar nicht ähnlich, und die Gewehrschüsse hatten sie erschreckt. Inzwischen bereute sie auch, was sie über sein Trinken gesagt hatte. Geholfen hatte es auf jeden Fall nichts. Wenn überhaupt, so war er nun noch häufiger im Royal George anzutreffen, und spätnachts hörte sie ihn einmal in der Schonung singen. »Typisch italienisch«, dachte sie, wobei sie »Wir fahren gegen Engeland« für die Traviata hielt. »Wahrscheinlich sehnt er sich nach Neapel.« Doch der durch den Park stolpernde Klex war lediglich betrunken, und wenn er sich überhaupt nach etwas sehnte, dann nach ihrer sittlichen Reinheit, die durch Dundridges Besuch zerstört worden war.
Sie fand ihn, wie erwartet, im Küchengarten. »Klex«, sagte sie, »ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
»Was?« knurrte Klex mürrisch.
»Kennen Sie den Wandsafe im Arbeitszimmer?« Klex nickte. »Ich will, daß Sie ihn für mich öffnen.« Klex schüttelte den Kopf und jätete weiter im Zwiebelbeet herum. »Ohne die Kombination geht nichts«, sagt er. »Hätte ich die Kombination, müßte ich Sie nicht bitten, ihn zu öffnen«, sagte Lady Maud bissig.
Klex zuckte die Achseln. »Wenn ich die Kombination nicht weiß«, sagte er, »wie kann ich ihn dann öffnen?«
»Indem Sie ihn aufsprengen«, sagte Lady Maud. Klex richtete sich auf und sah sie an.
»Aufsprengen?«
»Mit Sprengstoff. Nehmen Sie einen ... wie heißen diese Dinger mit Flammen doch gleich ... Schneisen ...«
»Schneidbrenner«, sagte Klex. »Funktioniert nicht.«
»Wie Sie es machen, ist mir egal. Von mir aus dürfen Sie ihn aus der Wand reißen und vom Dach schmeißen, aber ich will den Safe offen haben. Ich muß wissen, was drin ist.« Klex schob seinen Hut in den Nacken und kratzte sich am Kopf. Da sprach eine neue Lady Maud. »Warum fragen Sie ihn nicht nach der Kombination?«
»Ihn?« sagte Lady Maud verächtlich. »Weil ich nicht will, daß er es erfährt, darum.«
»Wenn wir ihn aufsprengen, wird er’s erfahren«, gab Klex zu bedenken. Lady
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