Klex in der Landschaft
Worford und Ottertown komplett gewesen. Die in völliger Dunkelheit mit Hochdruckschläuchen arbeitenden Feuerwehrleute hatten eine Anzahl leichtbekleideter Rentner, die aus den Altenheimen entkommen waren, die Straße hinuntergewirbelt, ehe sie ihre Aufmerksamkeit der öffentlichen Bücherei zuwandten, die sie mit Schaum gefüllt hatten. Für Dundridge, der kläglich aus dem Polizeiwagenfenster schaute, war es unerträglich, daß man ihn für diese Katastrophe verantwortlich machte. Jetzt wünschte er, er hätte South Worfordshire nie zu Gesicht bekommen. »Ich muß wohl wahnsinnig gewesen sein, hierher zu kommen«, dachte er.
*
Der gleiche Gedanke war auch Sir Giles gekommen, obwohl es ihm in seinem Fall keineswegs um einen metaphorischen Wahnsinn ging. Als der Morgen über dem Park graute, kämpfte Sir Giles mit dem Schloß am Tor zur Fußgängerbrücke und versuchte, sich vorzustellen, wie es dahin gekommen war. Bei seiner Ankunft hatte es nicht dort gehangen. Wäre es anders gewesen, hätte er das Grundstück nicht betreten können. Nun war die Existenz des Vorhängeschlosses zwar schlimm genug, die des Zauns aber noch schlimmer, und den hatte es ganz sicher noch nicht gegeben, als er das letztemal auf dem Anwesen geweilt hatte. Es handelte sich um einen extrem hohen Zaun mit metallenen Winkelträgern an der Spitze und vier über die Parkseite hängenden Reihen schweren Stacheldrahts; offensichtlich war er eher dafür konstruiert worden, Leute davon abzuhalten, das Gelände zu verlassen, als Unbefugte am Betreten zu hindern.
Als er mit seinen Überlegungen soweit gekommen war, gab Sir Giles den Kampf mit dem Schloß auf und versuchte, nach einem anderen Fluchtweg zu suchen. Er folgte dem Zaun am Rand der Schonung und wollte gerade über das Eisengitter klettern, als das unwirkliche Gefühl, das ihn mit dem Auftauchen eines großen Vorhängeschlosses an einer Stelle, wo vorher keins gewesen war, beschlichen hatte, eine eindeutige Wendung zum Schlimmeren nahm. Vor dem grauen Morgenhimmel zeichnete sich ein Kopf ab, ein kleiner Kopf mit einer langen Nase und Knubbeln oben drauf. Unter dem Kopf befand sich ein Hals, ein langer Hals, ein wirklich sehr langer Hals. Sir Giles schloß die Augen und hoffte inständig, nicht mehr zu sehen, was er zu sehen geglaubt hatte, wenn er sie wieder öffnete. Er öffnete sie, aber die Giraffe war immer noch da. »O mein Gott«, murmelte er und wollte sich gerade davonmachen, als seine Augen etwas noch Schrecklicheres erblickten. Im hohen Gras fünfzig Meter hinter der Giraffe sah er noch einen Kopf, ein großes Gesicht mit Mähne und Schnurrhaaren.
Sir Giles verwarf jede Überlegung, in der Richtung weiter nach einem Ausgang zu suchen. Er drehte sich um und stolperte zurück in die Schonung. Entweder war er verrückt geworden oder er befand sich mitten in einem verdammten Zoo. Giraffen? Löwen? Und über was war er eigentlich im Dunkeln beinahe gestolpert? Über einen Elefanten? Er ging wieder zum Tor und warf einen hoffnungsvollen Blick auf das Schloß. Doch statt einem hingen da jetzt zwei Schlösser, und das zweite war sogar noch größer als das erste. Als er gerade überlegte, was das bedeuten könnte, hörte er ein Geräusch von dem Fußpfad auf der anderen Seite des Flusses. Sir Giles blickte auf. Dort stand Klex mit einem Gewehr und lächelte zu ihm herunter. Es war ein furchtbares Lächeln, ein Lächeln stiller Zufriedenheit. Sir Giles drehte sich um und floh in die Schonung. Er erkannte den Tod, wenn er ihn sah.
*
Als Klex schließlich ins Herrenhaus zurückkehrte, war Lady Maud in der Küche und machte Frühstück. »Warum haben Sie so lange gebraucht?« fragte sie. »Ich habe den Bentley weggefahren«, teilte ihr Klex mit. »Ich habe ihn hier in die Garage gestellt. Ich dachte, das würde natürlicher wirken.«
Lady Maud nickte. »Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte sie. »Die Leute könnten womöglich Fragen stellen, wenn sie ihn oben bei der Kirche stehen sehen. Falls er rauskommt, könnte er außerdem den Pannendienst anrufen.«
»Er wird nicht rauskommen«, sagte Klex. »Ich hab’ ihn gesehen. Er ist in der Schonung.«
»Tja, das ist sein Pech. Er kam her, um das Haus in Brand zu stecken, und für alles, was nun geschieht, trägt er allein die Verantwortung.« Sie reichte Klex einen Teller mit Frühstücksflocken. »Leider kann ich Ihnen zum Frühstück nichts kochen. Der Strom ist abgestellt worden. Ich habe die Elektrizitätsgesellschaft in Worford
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