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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Dundridge zugeben.
    Während der Vormittag verrann, gewann der Autobahnkontrolleur für Mittelengland den deutlichen Eindruck, daß eine Falle über ihm zuschnappte.
    *
    Für Sir Giles hatte sich das zur absoluten Gewißheit verdichtet. Seine Versuche, über den Drahtzaun zu klettern, waren kläglich gescheitert. Zu diesem Zweck erwiesen sich ölige Gummistiefel als keineswegs ideal, und Sir Giles’ körperliche Aktivitäten waren viel zu passiver Natur gewesen, um ihn auch nur annähernd darauf vorzubereiten, Maschendraht hinaufzukraxeln oder mit überhängendem Stacheldraht fertig zu werden. Was er brauchte, war eine Leiter, doch sein einziger Versuch, die Schonung zu verlassen, war durch den Anblick eines im Steingarten herumstöbernden Nashorns und eines Löwen, der sich vor der Küchentür sonnte, zunichte gemacht worden. Sir Giles blieb in der Schonung und wartete auf eine günstige Gelegenheit. Er wartete sehr lange. Um drei am Nachmittag war er ausgesprochen hungrig. Das gleiche galt für die Löwen. Von den unteren Ästen eines Baumes, die Aussicht auf den Park gewährten, beobachtete Sir Giles, wie sich vier Löwinnen an eine Giraffe heranpirschten; eine folgte ihr gegen den Wind, die anderen drei hatten sich in Windrichtung im Gras versteckt. Die Giraffe floh und schlug gleich darauf im Todeskampf um sich. Aus seinem Horst beobachtete Sir Giles entsetzt, wie die Löwinnen ihr den Rest gaben und die Löwenmännchen sich wenig später zu ihnen gesellten. Sir Giles unterdrückte Ekel und Furcht und kletterte vom Ast. Das war seine Chance. Ohne das Nashorn zu beachten, das ihm den Rücken zukehrte, rannte er, so schnell es seine Gummistiefel erlaubten, über den Rasen zum Haus. Er erreichte die Terrasse und eilte am Wintergarten vorbei, wo Lady Maud gerade einen Rizinusbaum goß. Während er vorbeilief, schaute sie auf, und einen Moment lang wollte er einer Eingebung folgend anhalten und sie anflehen, ihn einzulassen, doch ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, daß dies reine Zeitverschwendung wäre. Ihre Miene zeigte eine Gleichgültigkeit gegenüber seinem Schicksal, beinahe ein Nicht-zur–Kenntnis-nehmen seiner Existenz, die auf ihre Art noch erschreckender war als Klex’ schreckliches Lächeln. Was Maud betraf, gab es ihn einfach nicht. Sie hatte ihn geheiratet, um das Anwesen zu retten und die Familie zu erhalten. Und nun war sie bereit, ihn aus denselben Gründen dem Tod zu überlassen. Daran zweifelte Sir Giles nicht. Er rannte auf den Hof und öffnete die Garagentür. Dort stand der Bentley. Endlich konnte er entkommen. Er schob die Türen zurück und stieg in den Wagen. Der Zündschlüssel steckte noch. Er drehte ihn um, und der Anlasser surrte. Er probierte es wieder, aber das Auto wollte nicht anspringen.
    *
    Im Küchengarten lauschte Klex dem Motorgeräusch. Er verschwendete seine Zeit. Das konnte er bis zum Jüngsten Tag versuchen, ohne daß die Maschine ansprang. Klex empfand kein Mitgefühl. »Lassen wir der Natur ihren Lauf«, hatte Lady Maud gesagt, und Klex war der gleichen Meinung. Sir Giles war ihm völlig schnuppe. Er hatte den gleichen Stellenwert wie die Schädlinge im Garten, die Nacktschnecken oder die Blattläuse. Nein, das stimmte nicht. Er war schlimmer. Er war ein Verräter an dem England, das Klex verehrte, dem alten England, dem aufrechten England, dem England, das sich aus Verwegenheit und Zufällen ein Weltreich gezimmert hatte, dem England, das diesen Garten geschaffen und die großen Eichen und Ulmen nicht zu seiner sofortigen Befriedigung gepflanzt hatte, sondern für die Zukunft. Was haue Sir Giles für die Zukunft getan? Gar nichts. Er hatte die Vergangenheit geschändet und die Zukunft verraten. Er hatte den Tod verdient. Klex nahm sein Gewehr und ging zur Garage.
    *
    Im Wintergarten überlegte Lady Maud sich die Sache noch einmal. Sir Giles’ Gesichtsausdruck, als er draußen kurz gezögert hatte, rief in ihr ein leichtes Mitgefühl hervor. Der Mann hatte Angst, schreckliche Angst, und Lady Maud hatte nichts übrig für Grausamkeiten. Sich abstrakt über das Gesetz des Dschungels auszulassen, war eine Sache, aktiv daran mitzuwirken, eine andere.
    »Inzwischen hat er seine Lektion gekriegt«, dachte sie, »ich sollte ihn am besten laufenlassen.« Sie wollte gerade nach draußen gehen und ihn suchen, als das Telefon klingelte. Es war General Burnett.
    »Es geht um die Geschichte mit dem armen alten Bertie«, sagte der General. »Das Komitee würde gern vorbeikommen und mit

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