Klickpfiff
seinem linken Auge nach unten. Er konnte erkennen, wie sie dem Wal aus dem Maul glitt und wie ein zackiger flacher Felsbrocken zum Grund sank. Ohne es zu wissen, hatte er seit dem ersten Biß den Hilferuf der Delphine herausgeschrien.
Nicht daß er Hilfe erwartete, aber die Schmerzen wurden geringer, wenn er den Notruf gab, und er hatte damit wahrscheinlich auch die übrigen gewarnt, so daß sie entkommen konnten. Es war unmöglich, ihm zur Hilfe zu kommen, ohne die ganze Herde zu opfern, und das erwartete er nicht. Sicher ist es hart, sich zu verabschieden, selbst wenn man weiß, daß es nicht mehr allzu lange dauert, bis man sich wiedersieht, und es war nicht leichter, als Delphin zu sterben und sich von allem wieder zu verabschieden.
Er spürte es kaum noch, als die nächsten beiden ihn wie riesige Messer trafen. Sie benutzten ihre Zähne nicht wie üblich, um festzuhalten, sondern um zu zerreißen, zu verstümmeln und zu zerstören. Die Zähne versenkten sich fünf Zoll tief in seine Seite und rissen ihm ein dickes Stück Fleisch heraus. Sein Blut hatte schon lange das Wasser um ihn herum getrübt, und sein Geschmack erreichte inzwischen jeden Delphin in einer Entfernung bis zu fünf Meilen mit der Strömung.
Der Geschmack trieb ihn fast zum Wahnsinn, und noch einmal zuckte er mit seinem Körper, um sich zu befreien. Aber die Klammern der Walkiefer hielten seine Schwanzflosse fest, und er konnte sich nicht bewegen. So sehr er sich auch davon zu überzeugen versuchte, daß es nur noch kurze Zeit dauern würde – die Panik in ihm wuchs trotzdem. Stillstand machte ihm Angst; nicht der Schmerz, sondern das Fehlen von Empfindungen.
Die Panik steigerte sich, und er zuckte immer wilder hin und her, um sich zu befreien. Aber die Wale hielten ihn fest, und obwohl er das selbst nicht wußte, waren seine Verletzungen so schwer, daß er auch nicht hätte wegschwimmen können, wenn sie ihn losgelassen hätten. Er war praktisch schon tot, obwohl er sich das nicht zugestehen wollte.
Die Wale zerrissen ihn mit einer kalten, mechanischen Wut, die ihrer reinen unpersönlichen Bösartigkeit entsprang. Ihre Bewegungen waren präzise. Keiner kam dem anderen in den Weg, keiner verfehlte sein Ziel; keiner verpaßte es, eine neue Wunde an diesem Körper aufzureißen, an dem kaum noch ein Stück Oberfläche unbeschädigt war.
Sein Gesicht wurde von einem harten Flossenschlag getroffen, der seinen Unterkiefer zerschmetterte. Er glitt in die Bewußtlosigkeit, wehrte sich aber verzweifelt dagegen, selbst wenn das Bewußtsein für ihn nur noch mehr Schmerz bedeutete. Aber für immer konnte er ihr nicht ausweichen. Er spürte den nächsten Schlag, und dann war er völlig allein, leerer als er es je vorher gewesen war; kälter, verzweifelter, blind, taub, unfähig zu hören, fühlen oder zu schmecken, allein in der Lage, das langsame Verrinnen der Zeit zu spüren.
Dunkelheit, Kälte, Einsamkeit, keine Charakteristiken, sondern Essenzen.
29
Pearsons Bewußtsein hing bewegungslos, schwebend; nicht Selbst, nicht Delphin, nicht Mensch. Es gab nichts zu tun, als zu warten; und während des Wartens gab es nichts zu tun. Und er wartete. Scheinbar ewig. Und dann wartete er weiter. Langsam, wie eine Lähmung, kroch etwas an ihm hoch, was schlimmer war als die Kälte und die Dunkelheit und der Verlust der Empfindungen Langeweile. Sie zerdehnte die Zeit und verwandelte sie in eine Qual. Er versuchte es mit seinen Erinnerungen, aber die wirklichen Gefühle waren verblaßt, und alles, was er erreichte, war ein Platz und ein Ereignis, aber nichts, was er wirklich fühlen konnte.
Die Zeit zog sich so sehr in die Länge, daß es den Anschein hatte, sie habe angehalten, sei zu Stein geworden. Weiter wartete er. Er war außerhalb des Körpers, und er schien für immer draußen zu sein. Nichts kam, kein neues Bewußtsein. Weiter ging es und immer weiter. Das Nichts dauerte an, schlimmer als das Nichts, weil das Nichts wenigstens kein Bewußtsein seiner selbst hat. Seine Zeit außerhalb des Körpers dauerte an und an und an und an und an, ohne Ende in ihrer gleichförmigen Monotonie. Ewige Gleichförmigkeit. Raum ohne Bewegung, ohne Zeit.
Dann veränderte sich die Dunkelheit plötzlich.
Es gab noch immer wenig zu sehen und wenig, womit er fühlen konnte, aber etwas wuchs, er wuchs, und bald wußte er, daß er eine Form hatte, eine physische Existenz. Ein dumpfes Zucken erfüllte seine flüssige Welt, seine leicht fließende Welt aus Gelatine.
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