Klingenfieber: Roman (German Edition)
er so schnell geredet hatte, schaute Stenrei die Klingentänzerin erwartungsvoll an.
»Pferdediebstahl ist eine ernste Sache«, sagte sie, immer noch lächelnd.
»Ich weiß. Aber wir machen es, wie du es in Kuntelt gemacht hast. Wir schicken ihnen die Pferde wieder zurück. Es geht nur darum, Abstand zu gewinnen und sie dadurch zu entmutigen.«
»Und das hast du dir alles gut überlegt?«
»Ja. Oder findest du irgendeine Schwachstelle in dem Plan?«
»Hm. Das mit den Säulen. Wie kommst du auf die Idee, dass du das hinbekommst?«
»Mein Vater ist Steinsetzer und Maurer. Von ihm habe ich einiges über Häuser gelernt. Wie man sie aufbaut. Und wie man sie kontrolliert zum Einsturz bringen kann.«
»Das ist doch mal ein nützliches Wissen«, sagte sie und erhob sich. »Ich glaube nicht, dass das Ganze so glatt ablaufen wird, wie du dir das vorstellst, mein Junge. Aber es bringt immerhin Bewegung in diesen ganzen Mist. Also lass es uns tun. Mir wird ohnehin langsam sehr langweilig.«
»Hast du noch genügend Proviant, oder soll ich dir etwas von meinem abgeben?«
Sie musterte ihn von oben bis unten. »Nun übertreib es mal nicht. Ich bin weder hilflos, noch würde ich nicht auch ohne deine Hilfe hier herausgefunden haben.«
»Und wie hättest du das anstellen wollen?«
»Ich bin eine Klingentänzerin . Du scheinst noch nicht begriffen zu haben, was das wirklich bedeutet.«
»Und was nützt dir das gegen Armbrustbolzen?«
Sie seufzte. »Das erkläre ich dir irgendwann einmal.«
»Gut. Ich nehme dich beim Wort. Gibst du mir mein Schwert wieder?«
Ihre Blicke maßen sich kurz. Stenrei hielt stand, aber es kostete ihn so viel Kraft, dass sich seine Knie hinterher wie weich gekocht anfühlten. Sie gab ihm das Schwert.
Nun begannen sie, sich nach Stenreis Anweisungen an den vier Stützbalken zu schaffen zu machen.
Die Geräusche ihrer Arbeit mussten draußen deutlich zu hören sein. Tatsächlich stellte der Langhaarige sich wieder zwanzig Schritt von der Tür entfernt auf und schnarrte: »Freut mich, dass du nach langer Nacht noch am Leben bist, Mädchen. Knurrt schon dein Magen? Ich bin es nach wie vor, der Rittrichter Wenzent Vardrenken in Vertretung des Adelsrats der Hochstadt. Abermals unterbreite ich dir das Angebot, mit erhobenen Händen und unbewaffnet aus der Hütte zu treten, auf dass wir dich in gesicherten Gewahrsam nehmen können. Andernfalls möge es uns demnächst einfallen, dir die Hütte überm Kopf anzuzünden, auf dass die Zähne des Rauches dich in unsere Obhut treiben.«
»Eitler Schwätzer«, knurrte Erenis leise. »Ich habe ihm noch nicht ein einziges Mal geantwortet.«
»Gut so«, grinste Stenrei. »Das wird seine Ungeduld hochköcheln.«
Sie hackten, kerbten und feilten an den Säulen, bis Stenrei sagte, dass es genug war. Etwa eine Stunde dauerte das.
Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Erenis schien sich eher darüber zu wundern, dass er überhaupt schwitzte. Aber er wusste, woran es lag. Ihr Ausschnitt. Ihre Schenkel. Ihr Hintern. Ihr Haar. Die ganze Zeit über. Das war ziemlich viel für einen Jungen, der nur Boseler Mädchen gewöhnt war.
Draußen rührte sich nichts. Auch der Rittrichter hatte sich wieder in seine Stellung zurückgezogen. Stenrei schmulte durch eine Ritze in der Wand, ob sich draußen viele Schaulustige herumtrieben, die ihre Flucht behindern könnten. Aber es lungerten nur zwei oder drei Greise und Greisinnen herum. Die übrigen Lichelner waren mit Arbeiten und Blumenpflege beschäftigt.
»Jetzt könnten wir es versuchen«, sagte er schnaufend. »Bist du bereit?«
»Ich immer. Und du?«
Er blickte sie an und entschied sich dafür, ehrlich mit ihr zu sein. »Ich bin noch niemals in einer derartigen Situation gewesen. Du schon oft?«
»Zweimal haben Büttel versucht, mich festzusetzen. Aber das konnte ich immer schnell auflösen. Dies hier, diese Aushungerungstrategie, ist mir auch neu.«
Gut. Sie war ebenfalls ehrlich mit ihm. Er lächelte. Sie lächelte beinahe zurück.
Er holte tief Atem, dann begann er zu schreien. »Nicht! Hilfe! Hilfe! Sie will mich umbringen, sie will mich umbringen! So helft mir doch!« Er polterte und trappelte herum, warf sich gegen eine Wand, öffnete die Vordertür und schmiss sie wieder zu. »Nein! Ich habe doch nichts getan! Ich habe doch nichts getan! Ich will nicht sterben! Nein! Gnade! Nein!«
Erenis stand an der Wandritze und spähte nach draußen. Ihre Zähne waren gebleckt, ob das ein Grinsen
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