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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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machen wird. Aber ich mag es nicht, Pferde zu stehlen. Pferdedieb war in meiner Kindheit eine Bezeichnung für einen Menschen ohne Ehre.«
    Stenrei hatte sie noch nie so viele Worte hintereinander sprechen hören. Erleichtert seufzend ließ er sich seitlich vom Rücken des Tieres gleiten.
    Erenis grinste auf ihn herab.
    Zu spät begriff er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er stand auf dem Boden, es gab keine Steigbügel, sie saß noch immer auf ihrem Pferd.
    »Dein Plan war gar nicht übel, Junge, aber du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass ich dich von jetzt an mit mir herumschleppe? Heeeyah-yah!« Und ihr Pferd stürmte los, schleuderte Staub und Dreckklumpen gegen ihn.
    Lachte sie? Konnte er sie wirklich über dem Hufgetrappel lachen hören?
    Die verschiedensten Gefühle kämpften in ihm und bewirkten, dass er sich eine kurze Zeit lang überhaupt nicht bewegte.
    Wut. Enttäuschung. Eine eigenartige Erleichterung. Dort, wo sie war, verloren Männer ihren Kopf, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes . Also war es gut, sie zu verlieren. Müdigkeit, weil er die ganze Nacht über nicht geschlafen hatte. Einsamkeit. Und Verlorenheit. Ohne Erenis ging er seines Ziels verlustig. Er wusste dann gar nicht mehr, was er hier draußen zwischen allen Dörfern überhaupt zu suchen hatte. Er trug unerlaubterweise das Schwert eines Toten, und niemand konnte ihm beibringen, es zu handhaben.
    Er versuchte, wieder auf sein Pferd hinaufzukommen, aber mit dem Schwert in der Hand wollte das nicht gelingen. Das Pferd kannte ihn kaum und wich ständig vor ihm zurück. Morgendlich feuchtes Fell trippelte vor ihm hinweg. Stenrei hing an der Seite und mühte sich, rutschte jedoch immer wieder ab.
    Schnell gab er es auf. Seine Wut gewann die Oberhand gegen Müdigkeit und Erleichterung. Reingelegt wie ein kleiner Junge . So nannte sie ihn ja auch immer. Junge. Das war nicht hinnehmbar. Wenigstens, dass sich ihr sein Name einprägte, wollte er noch erreichen.
    Er begann zu rennen. Ihr hinterher. Das Pferd ließ er einfach stehen, wo es war. Was kümmerte es ihn? Erenis hatte recht. Er war jetzt in das Töten von Bütteln verwickelt, das war weit schwerwiegender als Pferdediebstahl.
    Im Rennen versuchte er, seine Purzelbaum schlagende Gedankenwelt zu ordnen. Hatte ihn denn überhaupt jemand so genau sehen können, um ihn für einen Steckbrief zu beschreiben? Der Mann mit dem rutschenden Kopf hatte ihm ins Gesicht geblickt, mit bereits brechenden Augen. Aber die anderen? Höchstens von hinten. Im Rennen. Wenn er sich neue Kleidung besorgte und sich die Haare scheren ließ, würde niemand ihn wiedererkennen. Wahrscheinlich. Also war vielleicht noch gar nicht alles verloren.
    Außerdem hatte er niemanden umgebracht. Nicht einmal das Schwert geführt gegen einen. Er konnte immer noch behaupten, tatsächlich Erenis’ Geisel gewesen zu sein und dann beim Zusammensturz der Hütte furchtsam das Weite gesucht zu haben. Sie hatte ihm befohlen, ihm zu folgen. Hatten das nicht alle hören können?
    Komm jetzt, Junge .
    Er folgte ihr noch immer.
    Rannte. Weigerte sich einfach, jetzt aufzugeben. Er wusste, dass sie auch ihr Pferd bald zurückschicken würde. In Kuntelt hatte sie das auch so gemacht. Sie wollte tatsächlich keine Pferdediebin sein, keine Ehrlose, das schien ihr wichtig zu sein. Wenn er jetzt beharrlich blieb, konnte er an ihr dranbleiben. Immerhin hatte er sie schon einmal dazu gebracht, auf ihn zu hören. Und sein Plan war gut gewesen, das hatte sie selbst zugeben müssen. Jetzt wehrte sie sich noch, störrisch wie eine Mauleselin. Aber wenn es ihm noch einmal gelang, an sie heranzukommen und ihr seine Argumente zu unterbreiten, wie er ihr nutzen konnte – wenn sie ihm noch ein einziges Mal zuhörte, dann würde er sie überzeugen können, ihn mitzunehmen. Daran glaubte er fest.
    Doch warum wollte er das überhaupt? Auch darüber dachte er nach, während seine Füße ihre Hufspur übertraten. Warum wollte er unbedingt bei ihr bleiben, obwohl ihr Weg durch Schrecken und Demütigungen führte?
    Mit Sicherheit wusste er nur eins: dass ihre Schönheit, ihr schneidender, strahlender Glanz sein Leitstern geworden war, seitdem er sie das erste Mal erblickt hatte.
    Aber das war es nicht allein. Es gab noch einen weiteren triftigen Grund für ihn, sich ihr anzuschließen: Sie allein, das spürte er, konnte ihm beibringen, mit dem Schwert richtig umzugehen. Er durfte keins besitzen. Und es gehörte ihm auch nicht. Aber wenn sie, die mehrere

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