Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Stränden finden konnte, von Stränden, die er noch nie gesehen hatte. Er fragte sie, ob sie das Meer kannte, und sie antwortete nicht, als wäre sie taub geworden.
    Er plauderte ziemlich viel, bis sie den Wald verließen und ein moderiger Wegweiser Bosel zwei Meilen anzeigte.
    »Von hier ab brauche ich dich nicht mehr«, sagte die Frau und klang beinahe freundlich dabei.
    »Aber wir haben denselben Weg!«
    »Willst du nicht noch im Wald herumtollen und Fabelwesen verfolgen und Muscheln suchen?«
    »Nein. Jetzt will ich das Erzählenswerte sehen, das sich Euretwegen in Bosel ereignen wird.«
    »Und wenn es mit Blut zu tun hat?«
    »Mit Blut? Mit wessen Blut?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Na, dann erst recht!«
    »Hast du denn schon mal einen Toten gesehen?«
    »Aber klar. Meinen Großvater, als er gestorben war.«
    »Hat dir das Angst gemacht?«
    »Nein. Als er lebte, hatte ich mehr Angst vor ihm.«
    Jetzt lächelte sie tatsächlich, und er fühlte sich, als hätte er ihr Herz erobert.
    Der Weg nach Bosel war raurissig von der langen Trockenheit, karg und ereignislos.
    Stenrei erzählte von einem Vorstoß der Waldleute, vor seiner Zeit, als sein Vater noch jung gewesen war. »Bis hierhin sind sie aus dem Wald gekommen«, berichtete er eifrig. »Und dort und dort haben die versammelten Steindörfer sie zurückgeschlagen.« Er deutete auf einzelne Baumbestände, die vor einer Generation vielleicht einmal als Deckung hergehalten haben mochten. Die Frau mit dem Schwert auf dem Rücken schien sich nicht zu interessieren für das, was er zu erzählen hatte.
    Also schwieg auch er. Er sah ein, dass ihn dies vielleicht erwachsener wirken ließ. Außerdem war es womöglich tatsächlich albern, sich mit den Heldentaten der Vorväter zu schmücken, wenn man selbst noch nichts vorzuweisen hatte.
    Schweigen.
    Schweigen war gar nicht einfach, wenn man nicht alleine war. Die Stille zwischen ihm und ihr schien unleidliche Ärmchen auszubilden und an ihm zu zerren. Die Stille war Feindseligkeit sehr ähnlich, und er wollte keine Feindseligkeit mit dieser wirklich schönen Frau.
    Bosel kam nur quälend langsam näher, die niedrige, unspektakuläre Silhouette mit den Schornsteinen und den wie geduckt wirkenden Häuschen. Stenrei lag auf der Zunge zu sagen: »Viele dieser Häuser hat mein Vater gebaut oder zumindest ausgebessert, und ich bin ihm dabei zur Hand gegangen«, aber nichts hätte ihn uninteressanter wirken lassen als dies. Er dachte nach über das wenige, das er und die Frau bislang gesprochen hatten, und der Gedanke an Blut und Tod sickerte in ihn ein und führte dazu, dass ihm zusehends mulmiger wurde. Hätte er mehr empfunden für sein Dorf, hätte er sich vielleicht gefragt, wen genau er hier mitbrachte. Aber dann wiederum: Spätestens seit dem Wegweiser hätte sie Bosel auch ohne ihn gefunden.
    Als sie gemeinsam in die Hauptstraße hineingingen, an der die Läden standen und die beiden Schenken, Das Zugpferd und Zum alten Hobel , staunten die Leute nicht schlecht. Stenrei kannte jedes einzelne Gesicht, die Alten mit ihren mümmelnden, oft Tabak kauenden Kiefern, die Eltern mit ihren rau gearbeiteten Händen und den müden Augen, die Gleichaltrigen, die sich entweder herumtrieben oder sich nützlich zu machen versuchten, oder die Kinder, die bereits gelernt hatten, nach Münzen zu springen, die aus den Taschen von Reisenden fielen – aber keines dieser Gesichter hatte ihn jemals in Begleitung einer großen, bewaffneten Frau gesehen. Die Menschen raunten und zischelten. Einer spuckte Tabak aus. Mehrere legten ihre Werkzeuge weg und starrten.
    Die Frau mit dem Schwert stellte sich mitten auf dem Hauptplatz auf. Hier war zweimal in der Woche Markt, drei Buden zwar nur, aber immerhin drei Buden von reisenden Händlern, die Waren feilboten, die nicht von hier waren und einen Hauch Besonderheit versprühten. Mindestens zwei Dutzend Schaulustige drückten sich inzwischen schon im Gesichtsfeld der Schwertfrau herum, Neugier, aber auch Misstrauen in den Gesichtern. Sie alle sahen ein wenig so aus, als würden sie gegen die Sonne blinzeln – selbst wenn sie die Sonne im Rücken hatten.
    Die Frau nahm das Schwert aus den Schlaufen, steckte es vor sich in den hartgetretenen Boden, nahm den Rucksack ab, entnahm diesem ein Säckel voller Münzen, lehnte den Rucksack gegen das Schwert und knautschte das Münzsäckel klirrend in der linken Hand.
    Stenrei stand unterdessen in ihrer Nähe und versuchte mit lungernden Schultern,

Weitere Kostenlose Bücher