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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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dabei. Denn sie war doch sicherlich nicht auf Dauer lautlos. Vielleicht, wenn er Glück hatte, konnte er sie erlauschen, ein Rascheln vernehmen, ein Streifen von Zweigen über ihre Lederbeine, und sich dann wieder tarnen als einer, der ein Ziel hatte, der jemandem folgte.
    Er wandelte herum, bis ihm plötzlich beide Beine weggehebelt wurden. Von einem anderen Bein. In Leder. Er schlug hin, die Welt plötzlich ein grüner Wasserfall. Rollte sich herum. Ächzte. Etwas rauschte. Das Schwert. Mit den roten Mustern in der Klinge, wie eine Schrift aus Blut. Mit der Spitze an seiner Kehle. Der Wasserfall kam zum Erliegen. Alles Grün erstarrte.
    »Schleichst du mir nach?«, fragte die Frau. Sie sah nicht wütend oder aufgebracht aus, aber ihre Stimme brannte wie Eis.
    »Nein, ich bin oft hier, oft im Wald …«
    »Du hast mich beobachtet, im Fluss.«
    »Bestimmt nicht! Bestimmt nicht!«
    »Was hast du gesehen?«
    »Nichts!« Das Schwert wurde schwerer auf seinem Kehlkopf. Er beschloss plötzlich, einfach nur die Wahrheit zu sagen, sich nicht zu verstricken. Wahrheit schien ihm das Einzige zu sein, was das Gewicht des Schwertes zumindest zu vermindern imstande war. »Von hinten, nur von hinten, im Fluss. Aber es war nichts als Zufall. Ich bin Euch nicht zum Fluss gefolgt. Ich war einem Wild auf der Spur, einem Schwein.«
    »Wie passend. Einem Schwein. Doch wozu? Du hast ja nicht mal einen Bogen.«
    »Zum Spaß. Zum Zeitvertreib. Ich mache das … oft. Zur Übung!«
    Sie betrachtete ihn, wog ab. »Du hast Glück, Junge. Dass du kein Mann bist. Denn wärst du ein Mann, würde ich dich jetzt töten.« Sie nahm das Schwert von ihm und steckte es wieder weg. Von Nahem sah sie noch hübscher aus als vorhin am Fluss. Aber dennoch regte sich in ihm auch ein wenig Zorn.
    »Warum töten?«, fragte er, während er vorsichtig aufstand. »Ich habe Euch nichts zuleide getan. Es gibt keinen Grund, mich dafür zu töten, dass ich Euch zufällig im Fluss sah.«
    »Männer sind schon für weniger gestorben. Sag, gibt es in der Nähe hier ein Dorf?«
    »Ja, gibt es. Bosel. Ich stamme von dort.«
    »Führst du mich hin?«
    »Was bekomme ich denn dafür?« Er wusste selbst nicht, woher er den Mut nahm, so dreist zu antworten. Etwas in ihrem Gesicht vielleicht. Sie war keine Räuberin. Sie war nicht freundlich, aber auch nicht feindselig. Man konnte mit ihr reden, also auch mit ihr verhandeln.
    »Nichts«, sagte sie, lächelte beinahe, und ging an ihm vorbei. Es war die falsche Richtung, sie führte nicht nach Bosel. Sie ließ ihn einfach stehen.
    Aber er wollte nicht, dass sie ging. Sie hatten nun ein Gespräch begonnen, das er gerne fortgesetzt hätte. Das war nämlich viel, viel besser, als ihr umständlich nachpirschen zu müssen.
    »Wartet!«, rief er und wetzte an ihr vorüber, bis er wieder vor ihr war. »Wenn Ihr wirklich nach Bosel wollt, geht Ihr jetzt falsch. Aber in Bosel gibt es nichts. Nichts zu holen.«
    »Wieso zu holen? Hältst du mich für eine Diebin?«
    »Nein. Aber für eine Abenteurerin, vielleicht. Die ihr Schwert vermietet, gegen klingende Münze. In Bosel gibt es niemanden, der eine Kriegerin anheuern würde. Das sind alles ganz langweilige Leute dort.«
    »Langweilig?«
    »Ja.«
    »Du langweilst dich dort?«
    »Jeden Tag.«
    »Dann führ mich hin. Ich gebe dir etwas zu sehen, von dem man in deinem Bosel noch lange sprechen wird. Noch sehr lange.«
    Er nickte begierig.
    Und führte sie durch den Wald.
    Das Gezwitscher winziger Vögel begleitete sie. Die Sonne stach flimmernde Säulen durchs Blattwerk. Am Himmel bildeten sich Wolken, die nicht lange Bestand hatten. Es sah noch immer nicht nach Regen aus.
    Die Frau mit dem Schwert sprach nicht. Er versuchte, ihr etwas zu erzählen, über bestimmte Bäume, die Namen hatten, über einen alten Steinkreis der Waldleute, über eine Stelle, an der es im Herbst Pilze gab, die nirgendwo sonst wuchsen. Einmal, sagte er, habe er ein Fabelwesen gesehen im tiefsten Tann. Ein wildes, zotteliges Pferd mit einem Hirschgeweih. Sie sagte nichts zu dem, was er erzählte. Fragte nicht einmal nach seinem Namen.
    »Mein Name ist Stenrei«, versuchte er es deshalb. »Aber im Dorf nennen mich alle Sten.«
    Auch das brachte nichts. Sie sagte ihm ihren Namen nicht.
    Also redete er weiter über Mooskäfer und Windbruch, über die höchste Fichte weit und breit, an der sie gerade vorüberkamen, und über die Nester von Stibitzvögeln, in denen man manchmal Muschelschalen von weit entfernten

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