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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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deutlich sichtbar in der Ortsmitte lag. Und ihm fiel auf, dass er nicht wusste, wo Garnisonen eigentlich standen, auch über Drutau hatte er das nicht gewusst, er war mit seinem Vater nie nach Drutau gekommen.
    Ihm kam eine Idee. Er hielt am Ortsrand einen Jungen an und erkundigte sich. Der Junge deutete nach weit, weit hinten in das kleine Kaff hinein. Stenrei wartete, bis gerade niemand in seine Richtung schaute, dann gab er Erenis Zeichen. Halt (ein Heben der Hand), Komm nicht näher oder bleib zurück (ein herrisches Zurückwinken) , Geh besser sogar vom Weg runter und verbirg dich im Feld (ein Wedeln und Zur-Seite-Scheuchen mit der Hand). Er konnte nur hoffen, dass sie das verstand. Aber sie schaute wenigstens zu ihm hin, war tatsächlich interessiert, wenn er vor ihr einen Ort betrat. Insofern klappte es schon mal, sie arbeiteten unbestreitbar zusammen. Und jetzt ging sie vom Weg ins Feld hinein! Es funktionierte!
    Ich habe sie in der Hand , dachte er, nur für den Bruchteil eines Moments, ein wilder Triumph, aber zu lächerlich, um selbst von ihm ernst genommen werden zu können.
    Die Idee mit dem Erkundigen jedenfalls war gut gewesen. Er betrat Leschun, hielt nach Bütteln Ausschau, sah keine, bemühte sich dennoch, das Schwert so dicht und unauffällig am Körper zu tragen wie möglich, suchte und fand die Garnison, die sich nicht in der Ortsmitte befand, sondern dahinter, am jenseitigen Ortsausgang, spähte dort ein wenig – sich in Hauseingängen herumdrückend – die Gegebenheiten aus und durchquerte dann ruhigen Schrittes den Ort erneut, um zu Erenis zu gehen. Erleichtert atmete er auf, als er das Dorf hinter sich hatte. Die Büttel waren entweder alle in ihrem Gebäude gewesen oder vielleicht sogar auf einem Einsatz außerhalb Leschuns.
    Vor dem Dorf, im Feld, konnte er Erenis nirgends sehen. Also rief er sie.
    Sie erhob sich nicht weit von ihm entfernt. »Was war denn los?«
    »Ich hatte den richtigen Riecher. Irgendetwas kam mir seltsam vor an diesem Dorf. Die Art, wie die Menschen gingen, selbstsicher wirkten, als wären sie wohlbehütet. Ich kann es dir selbst nicht genau erklären. Aber die haben eine Garnison. Zehn Mann Besatzung. Ein stabiles kleines Gebäude, wahrscheinlich mit Kerkertrakt für alle Unruhestifter der umliegenden Dörfer.«
    Erenis knabberte an ihrer Unterlippe. »Steckbriefe?«
    »Ich habe keine gesehen. Aber es ist einfach zu riskant. Die Garnison befindet sich jenseits der Stadtmitte. Du würdest bis in die Mitte gehen, dort deinen Kampf anbieten, kämpfen, gewinnen, und unterdessen würden die zehn Büttel ausschwärmen, um dich dingfest zu machen, ohne dass du sie kommen sehen kannst.«
    »Ja. Das wäre unnötig. Also was machen wir?«
    »Du bestimmst. Wir umgehen Leschun und schauen, was danach kommt. Oder wir gehen zurück und knöpfen uns Backte oder Hilreden vor.«
    »Hm. Nach Backte hat man uns gehen sehen. Also bleibt nur noch Hilreden.«
    »Dann Hilreden. Soll ich wieder vorangehen?«
    »Ja, mach. Und lass uns in Hilreden einkehren und morgen früh erst kämpfen. Für heute habe ich, glaube ich, eher Hunger als Kampfeslust.«
    »Du bestimmst«, sagte er noch mal, um ihr wieder und wieder ein gutes, sicheres Gefühl zu geben, und dann ging er voran und barst vor Stolz und Selbstzufriedenheit beinahe aus allen Nähten. Das war ein großartiger Plan gewesen! Er war voll aufgegangen. Jetzt hatte er sich wirklich Erenis’ Vertrauen … »verdient« konnte man nicht sagen, eher erschlichen oder ergaunert. Aber er nahm sich vor, das wiedergutzumachen. In der belagerten Hütte hatte er ihr tatsächlich geholfen. Und das würde er auch wieder tun, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab. Jetzt war es erst einmal nur darum gegangen, dass sie ihn nicht zum Teufel schickte, bevor er überhaupt seine Nützlichkeit beweisen konnte. Eine Notlüge zum beiderseitigen Nutzen, nichts weiter.
    Sie erreichten Hilreden und nahmen sich zwei Zimmer im »Ochsenblut«, einer Taverne, die ganz und gar in rostroter Farbe gestrichen war und in der es nur Rotwein zu trinken zu geben schien. Diesmal trafen sie sich aber nicht erst beim Frühstück, sondern bereits zum Abendessen. Es gab Schaufelbraten mit gedünsteten Wurzeln.
    Erenis ließ Stenrei erst an einem Nachbartisch Platz nehmen, dann winkte sie ihn zu sich. Er setzte sich ihr gegenüber und machte nicht den Fehler, vertraulich loszuplappern. Stattdessen wartete er, bis sie das Wort an ihn richtete. Was lange dauerte. Sie schwieg,

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