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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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bis das Essen serviert wurde.
    »Es gelingt dir, mich nicht zu stören«, sagte sie dann, als sie ins Fleisch griff. Mehr Lob war aus ihrem Munde wohl nicht zu erwarten.
    »Ich würde mich auch weiterhin nicht in den Vordergrund drängen«, sagte er.
    »Also gut. Versuchen wir es noch eine weitere Woche. Aber ausbilden werde ich dich nicht.«
    »Niemals? Unter keinen Umständen?«
    »Unter keinen Umständen.«
    »Erlaubst du mir dann, dass ich von deinen Kämpfen lerne?«
    Sie lächelte. Es sah beinahe geschmeichelt aus. »Ich kann ja wohl nicht verhindern, dass du mir zuschaust.«
    »Nein. Obwohl ich natürlich immer hauptsächlich ein Auge auf das haben werde, was sich unter den Zuschauern abspielt. Um dir den Rücken freizuhalten.«
    Jetzt aßen sie eine Weile lang. Das Fleisch war ein wenig zäh, aber kräftig gewürzt. Beide probierten den tiefdunklen Hauswein.
    »Hör zu«, sagte sie dann. »Du wirst Fragen haben.«
    »Viele.«
    »Eine am Tag. Mehr nicht. Du kannst jetzt deine erste stellen. Aber überlege gut. Wenn ich dich in einer Woche satthabe, wirst du keine Gelegenheit für weitere mehr bekommen.«
    »Ich weiß meine erste Frage schon. Ich hatte mehrere Tage Zeit, sie mir zu überlegen.«
    »Also lass hören.«
    »Wie lange machst du das schon? Von Dorf zu Dorf. Ein Toter pro Dorf.«
    »Etwa ein Jahr.«
    »Ein Jahr schon?«
    Sie hob einen Finger. »Eine am Tag.«
    »Entschuldige.«
    Sie aßen schweigend. Er hatte sich jetzt ganz gut in der Gewalt, denn diesmal war sie es, die es nicht mehr aushielt. »Also gut. Stell die Fragen, die zu genau diesem Jahr gehören. Aber nichts, was darüber hinausführt.«
    »Gut. Danke. Also ein Jahr. Etwa jeden zweiten Tag ein Kampf?«
    »Nein. Das Land hinter den Wäldern ist viel weniger dicht besiedelt. Anfangs hatte ich etwa einen Kampf in der Woche, manchmal auch nur alle zwei Wochen. Dann in den Wäldern gar nichts. Erst als ich an deinem Dorf herauskam – wie hieß es noch mal gleich?«
    »Bosel.«
    »Als ich in Bosel herauskam, wurde meine … Schlagzahl so hoch wie jetzt.«
    »Also wie viele Männer hast du in diesem Jahr besiegt?«
    »Vierunddreißig. Die einfachen Bürger in diesem einen Dorf und die Büttel nicht mitgerechnet. Ich zähle nur die Gegner, die es wert sind.«
    Stenrei pfiff leise. »Vierunddreißig. Das ist eine ganze Menge. Sie sind alle tot?«
    »Ja. Wenn sie es nicht wären, wäre der Kampf noch nicht zu Ende.«
    Jetzt schossen ihm sehr viele Fragen gleichzeitig durch den Kopf, aber die führten zu weit, sie berührten die Zukunft. Stenrei spürte, dass er mit Erenis’ Vertrauen so sorgfältig umgehen musste wie mit einem rohen Ei.
    Er versuchte es mit: »Und ist das jetzt das erste Mal, dass man hinter dir her ist?«
    Sie schüttelte kauend den Kopf. »Jenseits der Wälder hatte sich schon einmal eine Art berittene Bürgerwehr gebildet. Aber in die Wälder sind die mir nicht gefolgt, die Feiglinge.«
    »Die Angst geht um vor den Grünbemalten Menschen. Und dir haben die Grünen Leute nichts getan?«
    »Sie haben sich mir nicht gezeigt. Vielleicht können sie ja nur Männer nicht leiden.«
    »Mir haben sie auch noch nie etwas getan.«
    »Du bist ja auch noch kein Mann.«
    Diese Aussage traf ihn wieder wie ein Tritt in den Unterleib. »Ich meine ja nur, sie greifen tatsächlich nicht jeden an«, sagte er und versuchte, sein Verletztsein zu verbergen.
    Das Gespräch war aber jetzt zum Erliegen gekommen. Erenis hatte kein Interesse daran, es wieder in Gang zu bringen, Stenrei wollte ihre Auskunftsfreudigkeit nicht überstrapazieren. Also verabschiedeten sie sich voneinander und suchten ihre – diesmal nebeneinanderliegenden – Zimmer auf.
    In seinem Raum versuchte Stenrei ihrer Nähe hinterherzuspüren. Er legte sogar eine Hand mit aufgespreizten Fingern gegen die Wand und stellte sich vor, dass sie dicht hinter dieser Wand lag, die Wand vielleicht sogar berührte, mit einem Arm oder ihrem Gesäß.
    Er berührte sich, überließ sich seinen Phantasien. Erenis tanzte in ihnen allen. Und sie handhabte ihn , wie sie sonst ihre Klinge zu führen verstand.
    Hinterher fühlte er sich schuldig und dachte daran, dass morgen früh dieses noch nichts ahnende Dorf einen verstorbenen Sohn beklagen würde. Erenis brachte Leiden und Vergänglichkeit. Und er half ihr, trug das Seine zum Unheil bei.
    Er schlief, obwohl der Tag noch gar nicht vorüber war.
    Dafür lag er dann einen Großteil der Nacht wach, lauschte auf irgendwelche Lebensäußerungen

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