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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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lassen«.
    Stenrei holte Erenis grinsend wieder ein. »Es ist doch besser so. Oder willst du immer wieder aufs Neue Leute erschlagen müssen, die du dann nicht einmal mitzählen kannst?«
    Auch sie lächelte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Vielleicht könnte ich mir die ganze Mühe sparen, indem ich dich die Leute einfach totquatschen lasse.«
    »Wenn das für dich in Ordnung geht, können wir das gerne mal versuchen.«
    Es herrschte eine fast heitere Stimmung zwischen ihnen, die sich aber trügerisch anfühlte. Wie etwas, das sehr brüchig war oder leicht ins Kippen geraten konnte. Genau genommen war diese Gutgelauntheit dadurch unangenehmer als die Angespanntheit, an die Stenrei sich inzwischen gewöhnt hatte.
    Sie gingen eine Weile nebeneinander her und wussten nichts zu sagen.
    Dann beschloss Stenrei, seine Unbehaglichkeit zu nutzen, indem er so tat, als würde er gerne verzichten. Er sagte: »Ich will dir nicht zu nahe treten«, und ließ sich zurückfallen, bis auf dreißig Schritt Distanz. In Erenis’ Schrittweise und Haltung war womöglich ein winziges Bedauern auszumachen, aber sicher konnte er sich bei ihr niemals sein.
    Der Weg spaltete sich nach Loiwes, Kellerem, Dastnig. Diesmal entschied Erenis: nach Loiwes, über den Weg nach Kellerem. Sie wartete, bis Stenrei wieder zu ihr aufgeschlossen hatte, und sagte dann: »Ich lasse zu viele dieser Dörfer aus. Das kommt mir wie Verschwendung vor. Diesmal möchte ich alle drei aufsuchen. Loiwes, Kellerem und Dastnig. Und in allen möchte ich kämpfen.« Stenrei machte eine Geste, die »Was immer du willst …« bedeutete.
    Sie waren gerade dabei, eine Kräuterwiese zu queren, um den Weg nach Loiwes zu erreichen, als Erenis Stenrei bedeutete, sich ins hohe Gras zu legen. Er tat das sofort und wunderte sich, denn er hatte keinerlei Anzeichen einer Gefahr bemerkt.
    Es verging eine Weile, dann preschten aus Richtung Loiwes Reiter heran. Büttel. Sechs Mann. Mit Armbrusten. Reiter und Pferde wirkten staubig und erschöpft.
    »Das muss nichts mit uns zu tun haben, kann aber«, raunte Erenis. Sie sagte uns . Stenrei fühlte sich in diesem Moment wie emporgehoben.
    Sie blieben noch eine Weile liegen, dann gingen sie weiter nach Loiwes. Da Stenrei nach wie vor hinter Erenis blieb, bedeutete sie ihm, wachsam zu sein, falls die Reiter zurückkamen. Aber das hätte sie ihm nicht eigens einzuschärfen brauchen. Sein Herz schlug immer noch bis zum Hals.
    Allmählich dämmerte der Abend. Sie würden Loiwes mitten in der Nacht erreichen, übernachten, und dann kämpfen.
    Sterne begannen zu funkeln. Erstmals war Stenrei nachts mit Erenis unterwegs. Alleine hätte er Wegelagerer oder sogar Ungeheuer gefürchtet. Nachzerrer, die den Lebenden ihre Beweglichkeit neideten und sie zappelnd in wurmige Gräber rissen. Aber in Erenis’ Nähe fühlte er sich sicher. Der Prüfung ihrer Klinge würde kein Ungeheuer standhalten können.
    Stenrei dachte darüber nach, dass er jetzt Teil eines Arrangements war, das anderen den Tod brachte.
    Dieser Gedanke hatte etwas Erschreckendes.
    Aber dann fiel ihm auf, dass das in den Wäldern nicht anders gewesen wäre. Hätte er sich in einer Armee als Kundschafter verdingt, wäre aus ihm ebenfalls nichts anderes als ein Gefechtsgehilfe geworden. Man hätte Krieg geführt gegen die Waldmenschen, und er hätte dazu beigetragen. Obwohl die Waldmenschen ihm nie etwas getan hatten. Genau genommen sogar: Weil die Waldmenschen ihn nicht getötet hatten. Denn dadurch hätten sie ein für alle Mal verhindern können, dass er gegen sie arbeitete. Und vielleicht auch andere gelangweilte Dorfjungs davon abgeschreckt, gegen sie zu arbeiten.
    War dies das zugrunde liegende Antlitz der Welt?
    Dass man Unheil brachte über das, was einen bislang verschont hatte?
    Vielleicht gab es gar keine andere Möglichkeit, sich außerhalb seiner eigenen Familie umzutun. Gut, man konnte ein Händler werden und auf einem Wagen herumfahren. Aber auch dann zog man Diebsgesindel an und musste unter Umständen jemanden anheuern, der einem helfen konnte, die Waren mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Alles lief immer auf Gewalt und Umverteilung hinaus, oder auf Gewalt und ein Unterbinden der Umverteilung. Es sei denn, man blieb in Bosel und versauerte.
    Er wollte sich sowohl den Schrei des Alten in Denklen als auch den unerbittlich abreißenden Kopf des Büttels vor der belagerten Hütte ins Gedächtnis rufen und fand, dass beides in ihm hohl und fern wirkte. Dabei war

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