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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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andauernd antrieb, und sie auch Hunderte von Zielen anzusteuern hatten, konnte er das Schwelen offener Meuterei niederhalten. Er ritt die Verfechter müde, bis er fast schon wieder das Gefühl hatte, dass sie gegen eine ausgeruhte Erenis keine Chance haben würden.
    Dann jedoch stieß er zusätzlich auf etwas Neues. Hinter dem Dorf namens Polkeff hatte sich die Vorgehensweise der Klingentänzerin offenbar geändert. Sie streunte nicht mehr wie vom Wind erst nach hier, dann nach dort getrieben in der Gegend herum, sondern ließ mehr Dörfer aus. Die Abstände zwischen ihren Kämpfen wurden dermaßen lang, dass der Rittrichter mehrmals schon befürchtete, die Spur komplett verloren zu haben. Und einmal, als er den Befehl zum Umkehren gab, weil er glaubte, in falscher Richtung unterwegs zu sein, stellte sich hinterher heraus, dass er nur noch ein einziges Dorf hätte weiterreiten müssen, um dort die Fortsetzung der Spur zu finden. Dieser Fehler und das ergebnislose Durchsuchen vieler anderer Orte in der Gegend kosteten ihn und seine Männer volle drei Tage.
    Die Verfechter tuschelten über ihn und versuchten kaum noch, ein Grinsen zu verhehlen, wenn er Ansprachen hielt.
    Immerhin konnte er ihnen die Toten vor Augen führen, die Erenis’ Weg säumten. Er konnte ihnen frisch ausgehobene Gräber zeigen und weinende Angehörige. Es gab sogar Dörfler, die sich ihnen anschließen wollten. In einem Trupp, der ohnehin schon aus berittenen Kriegern bestand, hätten diese krummen Gestalten sich sicher fühlen können, sicher genug, um es mit der Schwertfrau aufzunehmen.
    Doch die Verfechter blieben unbeeindruckt. Vardrenken, der nach jeder Zusammenkunft einen anderen Fünfertrupp übernahm, damit möglichst alle seine Männer unter seiner Führung dazulernen konnten, rief jedes Mal: »Seht ihr? Schon wieder ein Unbescholtener, der ihr zum Opfer fiel! Das macht jetzt bald vierzig. Und das sind nur die, von denen ich weiß, vielleicht waren es noch Hunderte mehr, bevor ich auf ihre Fährte aufmerksam wurde!«
    Aber sie brummelten nur irgendetwas und tranken einen Schluck Ziegenmilch, anstatt ihm wirklich zuzuhören. In jedem einzelnen Dorf kümmerte sich mindestens einer von ihnen um das Auffrischen ihres Ziegenmilchvorrates, es hatte beinahe schon etwas Peinliches. Ihnen war ein einziger Toter im Dorf deutlich zu wenig. Sie waren Aufstände gewohnt, entfesselte Horden und die Überfälle der Wandernden Feuer. Ganze Dörfer, die ausgelöscht wurden. Einige von ihnen nannten die Klingentänzerin schon die Näherin , weil ihre Vorgehensweise nur aus Nadelstichen zu bestehen schien, und weil sie mit ihrem seltsam richtungslosen Weg ein unentzifferbares Muster ins Land stickte.
    Vardrenken wünschte sich, diese säuerlichen Männer endlich ihrem eigentlichen Zweck, dem Kampf, zuführen zu können, aber die Spur der Schwertteufelin wurde neuerdings dünner anstatt deutlicher.
    Es war zum Verrücktwerden.
    Und vielleicht wurde er das auch, verrückt, inmitten all seiner gelangweilten Männer vereinsamt durch die Last der Verantwortung, die er alleine sehen und begreifen konnte.
    In einem Dorf namens Tonstental kam es zu einem für ihn folgenschweren Vorfall.
    Diesmal hatte er nicht – wie damals in der Hochstadt – bewusst nach einem Mädchen Ausschau gehalten, das Erenis ähnlich sah. Diesmal begegnete er einem. Im Vorüberreiten. Zufällig. Und war wie vom Donner gerührt, als er es erblickte.
    Zuerst dachte er sogar, dass sie es sei.
    Doch dann schaute er genauer hin. Sie war unbewaffnet. Ihre Bewegungen waren ganz anders. Ihre Hüften ein wenig molliger, gebärfreudiger. Ihr Busen vielleicht sogar noch üppiger. Eine ganz andere Frau, eine Magd nur. Aber ihr Gesicht und ihre Haare waren ähnlich. Etwas einfacher vielleicht. Die Züge weniger kantig. Aber ähnlich. Bei schummriger Beleuchtung vielleicht sogar zum Verwechseln ähnlich.
    »Du da, halt an!«, rief er barsch, sodass sie zitternd vor dem Rittrichter und seinem tänzelnden Pferd stehen blieb. Ihm gefiel dieses Zittern. Es gefiel ihm sogar sehr.
    »Komm her, Mädchen!« Sie gehorchte. Blickte zu ihm auf. Auch das gefiel ihm. Er konnte ihr befehlen. Verfügte über Vollmachten. Kraft seines Amtes. Auch seine Männer, diese spöttelnden, hinter seinem Rücken tuschelnden und sauer aufstoßenden geborenen Befehlsempfänger, hatten nicht das Recht ihm dreinzureden oder seine Entscheidungen infrage zu stellen.
    Er befahl, eine Hütte räumen zu lassen, um das Mädchen

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