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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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der beiden Klingen wegpariert, sah aber die zweite nichtsdestotrotz auf sich zurasen. Sie gewann diesen Kampf, weil der Gegner offensichtlich Scheu hatte, eine Frau zu töten. Bei allen drei Gelegenheiten verhielt er seinen tödlichen Schlag, was Erenis gleichzeitig demütigte und wütend machte. Sie kämpfte hart darum, nicht die Beherrschung zu verlieren. Schließlich beendete sie den Kampf, indem sie die Schwäche des Mannes ausnützte: Bei einer vierten gleichartigen Gelegenheit ignorierte sie die zweite Klinge einfach und schlug ihrerseits zu, als würde ihr keine Gefahr drohen. Tatsächlich verhielt der Gegner seinen Zweitschlag auch diesmal und starb, weil sie im Gegensatz zu ihm keinerlei Skrupel besaß.
    Über diesen Gegner ärgerte sie sich noch drei Tage lang. Sie nannte ihn einen »ritterlichen Trottel« und führte ihn Stenrei als Beweis dafür an, dass Männer dumm waren und sie nicht besiegen konnten.
    Stenrei, der nach wie vor bei allen Kämpfen vergeblich Ausschau gehalten hatte nach dem Moment, an dem die Männer die Beherrschung verloren, entgegnete, dass es nicht gerecht sei, einem Gegner seinen Anstand vorzuhalten. »Ich dachte, du hast es nur auf die Angeber und Herumschubser abgesehen?«
    »Mich dreimal zu verschonen ist doch nichts weiter als Angeberei. Das zeigt, dass er den Kampf nicht ernst genug nahm, das Leben und den Tod nicht zu schätzen wusste.«
    »Trotzdem: Wenn einer dir gewachsen ist oder sich dir sogar als überlegen erweist, könntest du dich eigentlich auch auf ein Unentschieden einigen.«
    »Und was dann? Ihm die Hälfte meiner Münzen geben? Und zulassen, dass dieser Kerl dann andere Männer im Kämpfen unterrichtet, die dann wiederum Angeber und Herumschubser werden? Nein, mein Junge. Ich werde erst dann zufrieden sein können, wenn sie alle ausgemerzt sind.«
    Stenrei fielen etliche Gegenargumente ein, denn mittlerweile begleitete er Erenis schon so lange, dass ihm gewisse Absurditäten in ihrer Vorgehensweise aufgefallen waren. Was war, wenn es in einem Dorf mehr als einen Angeber und Herumschubser gab? Dann suchte sie sich dennoch nur einen von denen aus, und die anderen blieben unbehelligt. Was war, wenn der Angeber und Herumschubser eines Dorfes dermaßen harmlos und kläglich war, dass er in einem anderen Dorf gegen den dortigen Angeber und Herumschubser nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte? Dann wurde er dennoch für sein Auftreten genauso bestraft wie einer, der wirklich unangenehm und gefährlich war. Was war mit den vielen Dörfern, die Erenis auf ihrem Weg ausgelassen hatte, und den Dörfern, in denen sie nur übernachtete, ohne zu kämpfen? Wie konnte sie jemals von »ausmerzen« sprechen, wenn ihr Feldzug von derartigen Zufälligkeiten abhing? Und das in seinen Augen gewichtigste Argument: Was war mit den mittlerweile doch schon mehreren Gegnern, die überhaupt keine Angeber und Herumschubser gewesen waren, sondern vor Erenis’ Eintreffen ganz ruhig ihr Dasein fristeten – bis Erenis kam und sie sich bemüßigt fühlten, die Ehre ihres Dorfes zu verteidigen? Oder die sogar dazu gedrängt wurden? War nicht sogar Kaskir in Bosel, so unangenehm er sein ganzes Leben lang auch gewesen sein mochte, letzten Endes nur aufgestachelt worden von denen, die sich von seinem Münzengewinn eine fürstliche Wirtshauslage versprachen? War es nicht viel zu oft so? Erschuf sich Erenis ihre Gegner nicht selbst, indem sie hinging und herausforderte – und war ihr »Feldzug für die Sache der Frauen« nicht dadurch irgendwie ein Widerspruch in sich?
    Vielleicht war er aber auch nur sauer darüber, dass sie ihn nach all den gemeinsamen Wochen immer noch nur »Junge« nannte. Kein einziges Mal hatte sie bislang seinen Namen ausgesprochen. Obwohl sie ihn inzwischen wissen musste, so vergesslich konnte doch niemand sein.
    Stenrei hatte längst begriffen, dass sie ihn »Junge« nannte, damit sie in ihm keinen Mann und dadurch möglichen Gegner sehen musste. Aber dennoch ärgerte es ihn. Nach all den Wochen hatte er das Gefühl, sich einen besonderen Rang verdient zu haben. Als ein schwerttragender Mann, der nicht bekämpft zu werden brauchte, weil er eben kein Angeber und Herumschubser war, sondern ein zuverlässiger Verbündeter.
    In der Dämmerung morgens und abends übte er weiterhin mit seinem Schwert. Er spürte, wie seine Kraft wuchs und das Handhaben der Schwere und verschiedenen Schnelligkeiten ihm immer leichter fiel. Erenis jedoch hielt es für unter ihrer Würde,

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