Klingenfieber: Roman (German Edition)
ausgiebig befragen zu können.
Die Verfechter knurrten wie eine hungrige Meute. Auch sie hätten sicher gerne Mädchen »befragt«. Oh, das konnte er sich nur zu gut vorstellen. Falls sie sich nicht alle gegenseitig »befragten«, manchmal kamen sie ihm so vor. Aber nur er allein besaß die Befugnisse. Nur ihm allein, dem Rittrichter, war das Außergewöhnliche verbrieft worden.
In der Hütte, in der es noch entfernt nach Räucherschinken roch, zwang er das Mädchen, ihm zu Willen zu sein. Eifrig kniete sie sich hin und tat, wie ihr geheißen. Aber das genügte ihm nicht. Obwohl er sich selbst sehen konnte, umschlossen von ihrem Gesicht, war ihm ihre Haltung zu unterwürfig, zu wenig kämpferisch.
Er drückte ihr sein eigenes Schwert in der Hand. Es war bemerkenswert: Ihr Unverständnis ähnelte jenem der Hure aus der Hochstadt bis ins Detail. Er sagte ihr, wie sie sich hinstellen sollte. Formte sie sogar, schob ihre Beine auseinander, hob ihre Arme an, ihr Kinn. Er hatte Erenis kämpfen sehen, aber nur undeutlich, von einem viel zu schmalen Mond beleuchtet.
»Und nun greif mich an.«
Sie verstand nicht.
»Greif mich an, oder ich lasse dich in Fetzen peitschen!«
Sie gehorchte, fasste es als ein Spiel auf. Nichts stimmte. Schon ihre Kleidung war falsch. Also hielt er ihr Gefuchtel an und zog sie vollkommen nackt aus. Die Hüften zu breit. Die Brüste zu schwer. Überhaupt: Die Muskulatur einer bestens ausgebildeten Kämpferin fehlte ihr völlig, ihre Oberarme und Schenkel waren schwabbelige Weichtiere im Vergleich zu den straffen Gefahrenquellen, die Erenis ihr Eigen nannte. Aber mit weniger Licht vielleicht? Akribisch verhängte er die Fenster der Hütte, während das nackte Mädchen dastand, ratlos mit dem Schwert in der Hand.
Jetzt.
Jetzt konnte es funktionieren. Jetzt konnte er sich vorstellen, Erenis beim Baden oder bei sonst was oder beim Nacktschlafen in heißer Sommernacht aufgestört zu haben, und sie, da sie ihn erkannte und um seine Hartnäckigkeit und Gefährlichkeit wusste, griff ihn an. Schlaftrunken vielleicht noch. Überhastet.
»Greif mich an, Mädchen, mach schon, und gib dir gefälligst Mühe!«
Sie tat es. Ächzte zu viel dabei. Also wich er der ungeschickten Klinge aus und hielt ihr den Mund zu. Hielt ihr den Hals zu. Hielt sie gepackt und schüttelte sie. Hatte ihre Deckung durchdrungen. Hatte sie. Ja. So konnte auch Erenis riechen. Und schmecken. Sich anfühlen. Das war durchaus möglich.
Er steigerte sich in einen Rausch, in dem sein Gesicht zu einer wie heulenden Grimasse wurde und tobte sich aus. Würgte sie und stieß dabei zu. Ließ an ihr all seine Wut und allen aufgestauten Ärger aus, bis er schrie in fremden Zungen und alles sich von innen nach außen kehrte und nichts mehr zurückblieb außer Untröstlichkeit und dem Tropfen nasser Wäsche, die in diese Hütte gehängt worden war, weil es draußen nach Regen aussah.
Das Mädchen lebte nicht mehr. Der Rittrichter hatte ihren Kehlkopf geradezu zerpresst.
Er versuchte sie wieder anzuziehen, aber das erwies sich als zu mühsam, also gab er es auf. Es spielte ohnehin keine Rolle. Er war Rittrichter.
»Sie hat sich der Befragung widersetzt und versucht, das Gesetz durch Falschaussagen in die Irre zu führen. Als sie mir dann das Schwert entwand und sich sogar erdreistete, tätlich gegen mich zu werden, musste ich mich ihrer erwehren und sie maßregeln, denn so etwas kann man einfach nicht durchgehen lassen. Es ist eine Schande für Tonstental, dass es solche durchtriebenen Töchter hervorbringt.«
Seine fest und schneidend geäußerten Worte verwandelten die Augen der Dörfler in Wasser und bewegten selbst die harten Gesichter der Verfechter.
Hochzufrieden schwang sich der Rittrichter in den Sattel seines leicht wegdrängenden Reittieres. Er fühlte sich gut, müde vielleicht und etwas verschwitzt sowie eines Bades bedürftig, aber ansonsten wohlig und warmgliederig wie schon seit ungezählten Tagen nicht mehr.
Er konnte es spüren.
Seine Verfechter beneideten ihn und würden ihn fortan mit anderen Augen sehen.
Die Hochstadt wuchs in der Ebene empor wie ein ursprünglich ungestüm gewesenes, dann schreckensstarr gewordenes Übereinanderklettern von Bauwerken.
Innen herrschte Tumult. Nicht der Tumult eines Aufstandes, sondern der Tumult des alltäglichen Treibens, Krakeelens und Durcheinanderhastens. Alles hier war laut und grell und gellte einem seinen Preis entgegen. Männer trugen Adler mit lackierten Flügeln auf dem
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