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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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eine wilde, unheimliche Bedrohlichkeit aus. »Dich armen Narren hat die Wahrheit mitten aus dem Spaß gerissen, oder?«, fragte Erenis den Gestürzten, doch dieser schien sie nicht zu hören oder zu verstehen. Er rutschte erst nur ziellos im Schmutz herum, dann klimmte er langsam an einer Hauswand hoch und schüttelte sich dabei, als erklettere er einen Berg und würde gleichzeitig von einem Schwarm Wespen behelligt.
    Erenis wandte sich ab und ging weiter. Sie half dem Mann weder, noch tat sie ihm etwas an, denn er war unbewaffnet und offensichtlich viel zu angeschlagen, um etwas sagen oder auch nur verstehen zu können. Stenrei fragte sich, ob der Mann ein Vergewaltiger war. Aber ein vollkommen nackter Vergewaltiger? Er sah eher aus, als sei er niedergeschlagen und beraubt worden, vielleicht, während er es gerade mit einer Käuflichen trieb. Stenrei schaute ihm nach, wie er davontorkelte, als sei er betrunken, aber nach allem Möglichen hatte er gerochen, nur nicht nach Alkohol.
    Erenis war wieder ernst geworden. Dies war offensichtlich ein Viertel für Freuden und Qualen. Sie schwor sich, zu Gerdens Palast zurückzukehren und ihn und seine Diener auszurotten, falls sich herausstellen sollte, dass Ladiglea in einem Hurenhaus untergebracht worden war.
    Aber sie fanden hinaus aus dem Gässchengewirr und hatten die bezeichnete Anschrift noch immer nicht erreicht. In bereits beginnender Nacht setzten sie ihren Weg fort. Im Dunkeln wechselte die Stadt ihr Gesicht. Die Wände verbargen ihre Farben, entferntere Gebäude zerplatzten zu Ansammlungen von Lichtern. Überhaupt hingen überall Lampen in allen Formen und Tönungen. Die Hochstadt wurde zu einem Delirium für Nachtfalter.
    Endlich fanden sie die Straße und das richtige Haus.
    Das Haus stand allein am Ende einer krummen Gasse, umgeben von einer Mauer und einem Park, der in tiefem Schatten lag. Man konnte am Parktor läuten. Eine Bedienstete in einer eigentümlichen, priesterinnenartigen Kluft kam gelaufen. Sie trug eine Kerze und schleuderte dadurch ausgefranste Schatten durch den Park. »Es ist geschlossen«, sagte sie mit rauer Stimme.
    »Wir haben eine Erlaubnis. Auch für späte Stunden.« Erenis händigte aus ihrer Papiersammlung das entsprechende Schreiben aus. Die Bedienstete prüfte es lange im Schein ihrer Kerze.
    »Hm. Von Herrn Gerden unterzeichnet. Scheint seine Richtigkeit zu haben. Die Tinte ist noch frisch?«
    »Ja. Er hat das Schreiben vorhin erst für uns aufgesetzt.«
    »Folgt mir bitte.« Die Bedienstete schloss das Tor auf und auch wieder ab, nachdem Erenis und Stenrei hindurchgeschlüpft waren. Dann leitete sie die beiden mit ihrer Kerze durch den Park. Die Hecken und Büsche sahen eigenartig aus, sie waren sehr akkurat geschnitten und wiesen runde, quaderförmige oder pyramidale Formen auf.
    Die Bedienstete, die immer ältlicher aussah, je näher man sie in Augenschein nahm, führte die beiden nicht zu der Pforte, aus der sie selbst gekommen war, sondern zu einem zweiten, wie versteckt hinter hohen Bäumen liegenden Gebäude. Als sie sich näherten, erklang von dort drinnen ein unheimliches Geräusch: ein lang gezogenes Heulen, das in ein zitterndes Wimmern überging. Im Park verstummten die Grillen.
    »Was war das?«, fragte Stenrei mir schreckgeweiteten Augen.
    »Unsere Schutzbefohlenen. Viele singen.« Mehr erklärte die Bedienstete nicht. Sie ging voran zu einer Tür, die sie ebenfalls aufschloss. Dahinter war ein Flur, in dem es nach sauer eingelegtem Kraut roch. Und noch unangenehmer, nach einem Abtritt für viele Menschen.
    »Bitte öffnet keine Türen links und rechts. Die Schutzbefohlenen. Viele schlafen.« Die Bedienstete sprach raunend, beschwörend fast.
    Sie führte die beiden eine Treppe empor. Dann noch eine. Überall waren leise Geräusche. Es knackte und trappelte, wisperte, zischte, als würde Luft aus einem Schlauch entweichen. Und irgendwo sang tatsächlich jemand, aber ganz falsch, mit zerborstener Stimme.
    »Wie nennt man so ein Haus?«, fragte Erenis.
    »Eine Zuflucht«, hauchte die Bedienstete. »Und eine Stätte, wo man rasten kann und Frieden finden.« Ihre Stimme sang jetzt ebenfalls beinahe, als liebte sie diesen Satz und hätte ihn schon tausendmal voller Stolz ausgesprochen.
    Sie gingen durch einen Gang mit Türen links und rechts. Links hinter einer Tür klatschte etwas, wie Faust auf Fleisch, von rechts kam ein Geräusch, das wie das Reiben von Stoffen klang.
    »Hier ist es«, sagte die Bedienstete und wies auf

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