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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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vergessen?«
    »Aber wir sind doch nie zum Töten ausgebildet worden. Wir kämpften gegeneinander, ja, aber wir töteten nicht.«
    Ladigleas Stimme verzerrte sich jetzt zu einem grässlichen Zischen: »Weil das die Ausbildung war, Nissi! In der Ausbildung übt man ja nur. Aber was wir gelernt haben, was wir jetzt beherrschen, ist: alle zu töten. Alle. Und solange das noch nicht fertiggebracht ist, können wir keinen Frieden finden.«
    Erenis fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Ihre Gedanken stürzten wie ein Wasserfall an ihr vorüber.
    Ladiglea hatte recht.
    Das Töten.
    Das Alle-besiegen-Können.
    Natürlich war das der Sinn der ganzen langen Ausbildung gewesen.
    Dass Erenis jetzt tun konnte, was sie jeden Tag tat: umhergehen und ausmerzen.
    Und sie hatte immer gedacht, sie wäre ausgeschert. Und hätte Rache geübt an Ugon Fahus und allen, die so waren wie er. Dabei … dabei …
    »Und ich kann das nicht mehr machen«, fuhr Ladiglea eindringlich fort. »Mir haben sie ja mein Schwert weggenommen und setzen sich auf mich drauf, damit ich schlafe. Und Hektei hat ihrs zerbrochen, vielleicht sogar absichtlich, ich hab’s gesehen, es sah schon sehr unwahrscheinlich aus, und danach war sie frei und musste nicht mehr weitermachen. Aber du hast deins noch, und Neeva hat ihrs noch. Ihr beiden wart sowieso immer die Besten. Ihr werdet das schon schaffen!«
    Ugon Fahus’ beste Vollenderinnen: Neeva und Erenis. Die eine jetzt seine Frau. Die andere … sein was? Sein vollendetes Ergebnis ?
    »Es muss aufhören!«, schrie eine Stimme in Erenis. »Es muss aufhören!«
    »Es darf nicht aufhören!«, entgegnete Ladiglea. Erenis hatte gar nicht bemerkt, dass sie diese Worte laut ausgesprochen hatte, und sie hatte keine Zeit, sich darüber zu wundern, denn Ladiglea fuhr wie im Fieber fort: »Denn wenn es aufhört, werden die Feigen und Dummen herrschen, und Frauen werden nicht mehr kämpfen können und wie Eigentum sein und nur noch warten, die ganze Zeit darauf warten, dass man ihnen etwas erlaubt, etwas zugesteht, und die ganze Welt wird nicht mehr zusammengehalten werden können durch unsere Kraft, sondern wird zerreißen und auseinandertreiben in Tausende und Abertausende von Trümmern, und ich weiß, was du jetzt sagen willst, das ist das, was alle immer sagen, nämlich dass es, wenn alle tot sind, keine Rolle mehr spielt, wenn irgendetwas zerreißt, aber genau das ist eben der Fehler, verstehst du, der Fehler, den alle machen, die das nicht erfassen können, die nicht weit genug blicken können, weil sie die ganze Zeit über immer nur mit ihren Kleinigkeiten beschäftigt sind, denn so lange noch welche am Leben sind, geht es der ganzen Welt, der ganzen Weltan den Kragen, der ganzen Welt mit all ihren Bergen und Meeren und Tieren, und erst, wenn alle tot sind, wirklich alle, alle tot, dann kann es endlich, endlich Frieden geben.« Je länger sie sprach, desto matter wurde Ladigleas Stimme. Als zöge sie sich vor den Schrecken ihrer eigenen Visionen in die wohligeren Gefilde des Schlafes zurück. Man hatte ihr etwas verabreicht, ganz offensichtlich.
    Aber immerhin lag sie nicht gefesselt oder sogar in Ketten. Hielt man sie unter Schlafmitteln, weil sie die Bediensteten angegriffen hatte? Wiederholt attackiert? Weil sie das »Alle töten« glaubte, das Ugon Fahus damals so nie ausgesprochen hatte, sondern das vielleicht erst in der Zeit, als Danroth Gerden sie für Münzen auf Kämpfe ausschickte, in ihr entzündet worden war?
    Was sie redete, ergab keinen Sinn. Wieso sollte es der Welt an den Kragen gehen? Die Welt war so unermesslich riesig – was konnte das Treiben der Menschheit in ihr auch nur im Mindesten aus dem Gleichgewicht bringen?
    Erenis nahm ihre Schwester nun wieder in den Arm und legte sie sanft auf die Pritsche zurück. Ladiglea brabbelte noch etwas, doch es war nicht mehr zu verstehen. Sie schlief, als Erenis sich erhob. Schlief mit zuckenden Füßen und träumte womöglich einen furchtbaren Kampf, in dem getötet wurde. Getötet werden musste.
    Erenis fühlte sich verwirrt, wie angesteckt von Gedanken, die alles andere als heilsam waren.
    Aber was war denn schon heilsam?
    Machte das Durchdiedörfergehen und Männertöten wirklich alles besser? Wahrscheinlich nicht. Aber es beruhigte zumindest das Schäumen ihres eigenen Blutes.
    Sie schüttelte sich. Fühlte sich angreifbar in dieser Schwesternzelle, hohl, ihres Inhalts beraubt, ohne ihr Schwert.
    Eins verstand sie noch nicht: Hektei hatte ihr

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