Klingenfieber: Roman (German Edition)
Schwert zerbrochen, vielleicht absichtlich. Aber warum war sie danach nicht frei geworden vom Einfluss Ugon Fahus’, sondern noch blutrünstiger, und nun berüchtigt als Folterin ihrer Gegner?
Sie musste mit Hektei reden. Um zu erfahren, ob es eine Lösung war, das Schwert zu zerbrechen, oder ob das alles nur noch schlimmer machte. Hektei war ihr nächstes Ziel. Die Festspiele von Brendin Grya. Erenis hangelte sich an diesem Ziel aus dieser Kammer.
» Nissi ?«, fragte Stenrei spöttisch, als er ihr all ihre Sachen wiedergab, darunter das Schwert, kühl und stabil, alle Fragen und Zweifel an sich abperlen lassend.
»Wir waren Kinder , Stenrei. Kinder.«
Das war das erste Mal, dass sie ihn bei seinem Namen nannte. Und es hatte wie ein Verweis geklungen.
Um in dem von bösen Träumen widerhallenden Gebäude nicht irre zu gehen, warteten sie vor Ladigleas Tür, bis die Bedienstete flackernd zurückkehrte und sie nach draußen führte.
»Wir tun, was in unserer Macht steht«, sagte die Bedienstete wie entschuldigend.
»Jeder tut, was in seiner Macht steht«, sagte Erenis wie geistesabwesend. »Wenn ich … bestimmte Dinge noch erledigt habe, möchte ich Ladiglea gerne hier herausholen und zu mir nehmen. Ist das machbar?«
»Selbstverständlich. Es würde uns entlasten. Wir würden sie nicht einem Mann übergeben. Wir können ja nicht wissen, was der mit ihr anstellt. Aber bei einer Frau sehe ich keine Probleme.«
»Gut. Wahrscheinlich innerhalb dieses Jahres noch.«
»Dann wünsche ich Euch viel Glück.« Diese Worte klangen seltsam nach in den dunklen und trostlosen Gängen. Erenis fiel auf: Dies war das erste Mal seit Seslas Tod, dass jemand ihr Glück gewünscht hatte.
»Danke«, sagte sie, und fühlte sich hilflos dabei.
Die Bedienstete führte sie aus dem Gebäude durch den wie maskenhaft starren Park. Die Luft stand warm zwischen den Bäumen, kam aber sowohl Erenis und Stenrei atembarer vor als sonst. Im Haus der Schutzbefohlenen hatte es überwiegend nach Einsamkeit gerochen und nach Abwesenheit.
»Und jetzt?«, fragte Stenrei. »Gehen wir jetzt schon zur Kutschenstation?«
»Willst du lieber dort nächtigen oder in einem richtigen hochstädtischen Gasthaus?«
»Darf ich mir das aussuchen?«
»Ja.«
»Na, dann fände ich so ein Gasthaus natürlich spannender.«
»Wir sollten uns ruhig mal etwas gönnen, finde ich.«
Stenrei war überrascht und erfreut zugleich. »Fühlst du dich denn jetzt … besser, wo du deine Schwester gefunden hast?«
»Das war ein sehr trauriger Ort. Aber dennoch: Sie lebt. Seit Jahren dachte ich, dass alle tot sind. Nun glaube ich tatsächlich, dass wenigstens diese drei noch leben könnten.« Die drei, die sie immer am liebsten gehabt hatte. Ugon Fahus hatte sie mit Absicht ausgesucht. Um sie, Erenis,auf eine weitere Reise, eine weitere Ausbildung zu schicken. Mit welchem Ziel? Sich selbst, Ugon Fahus, den Kriegslehrer. Die abschließende Herausforderung jeder Klingentänzerin.
Sie durchstreiften die trotz der vorgerückten Stunde vor Menschen brodelnden Straßen der Hochstadt. Einmal stieß Stenrei aus Versehen gegen einen riesigen vierbeinigen Dickhäuter, der mitten zwischen den Leuten vorangetrieben wurde und der wie zum Gruß den Rüssel hob, nachdem Stenrei sich für seine Unachtsamkeit bei ihm entschuldigt hatte.
Erenis ließ den Jungen das Gasthaus aussuchen, und dieser entschied sich für ein sechsstöckiges Gebilde, das von außen leuchtete und schillerte wie eine Sahnetorte voller brennender Kerzen. Auch innen ging es hoch her, es wurde getanzt und musiziert. Die Zimmer waren teuer, aber Erenis bezahlte, ohne zu murren, und ging nach einem gemeinsamen Essen bald nach oben, um zu schlafen.
Stenrei blieb noch unten, ungeachtet der Gefahr, dass man ihm wegen seines unerlaubten Schwertes Ärger machen könnte. Er tanzte sogar, mit einem Mädchen, dem beinahe die Brüste aus dem Mieder platzten, und das jede seiner spärlichen und ungelenken Äußerungen mit einem ausgiebigen Gelächter bedachte. Als sie anfing, mit der Hand über seine Schwertscheide zu reiben, dachte er sich eine Entschuldigung aus, verdrückte sich und ging ebenfalls aufs Zimmer. Er wusste, dass Erenis nebenan schlief, und noch mehr Frau als sie konnte er einfach nicht verkraften.
Erenis wiederum hatte in dieser Nacht einen Traum, der sie aufgewühlt hochfahren ließ. Ihr war heiß, zwischen ihren Beinen brannte ein sengendes Begehren, ein Hunger nach Leben und Freiheit und einem Dasein
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