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Klingsors letzter Sommer

Klingsors letzter Sommer

Titel: Klingsors letzter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Stein, froh und selbstbewußt in den
    Himmel hinan geschmettert, ein Platz voll
    Sonne, Staub und Frieden, rot verbrannter
    Rasen, der unterm Fuße brach, Mittags-
    licht von grellen Wänden zurückgeworfen,
    eine Säule, eine Figur darauf, unsichtbar
    vor Sonnenschwall, eine Steinbrüstung um
    weiten Platz über blauer Unendlichkeit.
    Dahinter das Dorf, Kareno, uralt, eng, fin-
    ster, sarazenisch, düstere Steinhöhlen unter
    verblichen braunem Ziegelstein, Gassen
    bedrückend traumschmal und voll Finster-
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    nis, kleine Plätze plötzlich in weißer Sonne
    aufschreiend, Afrika und Nagasaki, dar-
    über der Wald, darunter der blaue Absturz,
    weiße, fette, satte Wolken oben.
    »Es ist komisch«, sagte Klingsor, »wie
    lange man braucht, bis man sich in der Welt
    ein bißchen auskennt! Als ich einmal nach
    Asien fuhr, vor Jahren, kam ich im
    Schnellzug in der Nacht sechs Kilometer
    von hier vorbeigefahren, oder zehn, und
    wußte nichts. Ich fuhr nach Asien, und es
    war damals sehr notwendig, daß ich es tat.
    Aber alles, was ich dort fand, das finde ich
    heut auch hier: Urwald, Hitze, schöne
    fremde Menschen ohne Nerven, Sonne,
    Heiligtümer. Man braucht so lang, bis man
    lernt, an einem einzigen Tag drei Erdteile
    zu besuchen. Hier sind sie. Willkommen,
    Indien! Willkommen, Afrika! Willkom-
    men, Japan!«
    Die Freunde kannten eine junge Dame, die
    hier oben hauste, und Klingsor freute sich
    auf den Besuch bei der Unbekannten sehr.
    Er nannte sie die Königin der Gebirge, so
    hatte eine geheimnisvolle morgenländische
    Erzählung in den Büchern seiner Knaben-
    jahre geheißen.
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    Erwartungsvoll brach die Karawane durch
    die blaue Schattenschlucht der Gassen,
    kein Mensch, kein Laut, kein Huhn, kein
    Hund. Aber im Halbschatten eines Fen-
    sterbogens sah Klingsor lautlos eine Ge-
    stalt stehen, ein schönes Mädchen,
    schwarzäugig, rotes Kopftuch um schwar-
    zes Haar. Ihr Blick, still nach den Fremden
    lauernd, traf den seinen, einen langen
    Atemzug lang schauten sie, Mann und
    Mädchen, sich in die Augen, voll und
    ernst, zwei fremde Welten einen Augen-
    blick lang einander nah. Dann lächelten
    sich beide kurz und innig den ewigen Gruß
    der Geschlechter zu, die alte, süße, gierige
    Feindschaft, und mit einem Schritt um die
    Kante des Hauses war der fremde Mann
    hinweggeflossen, und lag in des Mädchens
    Truhe, Bild bei vielen Bildern, Traum bei
    vielen Träumen. In Klingsors nie ersättig-
    tem Herzen stach der kleine Stachel, einen
    Augenblick zögerte er und dachte umzu-
    kehren, Agosto rief ihn, Ersilia fing zu
    singen an, eine Schattenmauer schwand
    hinweg, und ein kleiner greller Platz mit
    zwei gelben Palästen lag still und blendend
    im verzauberten Mittag, schmale steinerne
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    Balkone, geschlossene Läden, herrliche
    Bühne für den ersten Akt einer Oper.
    »Ankunft in Damaskus«, rief der Doktor.
    »Wo wohnt Fatme, die Perle unter den
    Frauen?«
    Antwort kam überraschend aus dem klei-
    neren Palast. Aus der kühlen Schwärze hin-
    ter der halbgeschlossenen Balkontür
    sprang ein seltsamer Ton, noch einer und
    zehnmal der gleiche, dann die Oktave dazu,
    zehnmal – ein Flügel, der gestimmt wurde,
    ein singender Flügel voller Töne mitten in
    Damaskus.
    Hier mußte es sein, hier wohnte sie. Das
    Haus schien aber ohne Tor zu sein, nur
    rosig gelbe Mauer mit zwei Balkonen, dar-
    über am Verputz des Giebels eine alte Ma-
    lerei: Blumen blau und rot und ein Papagei.
    Eine gemalte Tür hätte hier sein müssen,
    und wenn man dreimal an sie pochte und
    den Schlüssel Salomonis dazu sprach, ging
    die gemalte Pforte auf, und den Wanderer
    empfing der Duft von persischen Ölen, hin-
    ter Schleiern thronte hoch die Königin der
    Gebirge. Sklavinnen kauerten auf den Stu-
    fen zu ihren Füßen, der gemalte Papagei flog
    kreischend auf die Schulter der Herrin.
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    Sie fanden eine winzige Tür in einer Ne-
    bengasse, eine heftige Glocke, teuflischer
    Mechanismus schrillte böse auf, eng wie
    eine Leiter führte eine steile Treppe empor.
    Unausdenklich, wie der Flügel in dies Haus
    gekommen war. Durchs Fenster? Durchs
    Dach?
    Ein großer schwarzer Hund kam gestürzt,
    ein kleiner blonder Löwe ihm nach, großer
    Lärm, die Stiege klapperte, hinten sang der
    Flügel elfmal den gleichen Ton. Aus einem
    rosig getünchten Raum quoll sanftsüßes
    Licht, Türen schlugen. War da ein Papa-
    gei?
    Plötzlich stand die Königin der Gebirge
    da, schlanke elastische Blüte, straff und fe-
    dernd, ganz in Rot,

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