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Klingsors letzter Sommer

Klingsors letzter Sommer

Titel: Klingsors letzter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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brennende Flamme,
    Bildnis der Jugend. Vor Klingsors Auge
    stoben hundert geliebte Bilder hinweg,
    und das neue sprang strahlend auf. Er
    wußte sofort, daß er sie malen würde, nicht
    nach der Natur, sondern den Strahl in ihr,
    den er empfangen hatte, das Gedicht, den
    holden herben Klang: Jugend, Rot, Blond,
    Amazone. Er würde sie ansehen, eine
    Stunde lang, vielleicht mehrere Stunden
    lang. Er würde sie gehen sehen, sitzen se-
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    hen, lachen sehen, vielleicht tanzen sehen,
    vielleicht singen hören. Der Tag war ge-
    krönt, der Tag hatte seinen Sinn gefunden.
    Was weiter dazu kommen mochte, war Ge-
    schenk, war Überfluß. Immer war es so:
    das Erlebnis kam nie allein, immer flogen
    ihm Vögel voraus, immer gingen ihm Bo-
    ten und Vorzeichen voran, der mütterlich
    asiatische Tierblick unter jener Tür, die
    schwarze Dorfschöne im Fenster, dies und
    das.
    Eine Sekunde lang empfand er aufzuckend:
    »Wäre ich zehn Jahre jünger, zehn kurze
    Jahre, so könnte diese mich haben, mich
    fangen, mich um den Finger wickeln! Nein,
    du bist zu jung, du kleine rote Königin, du
    bist zu jung für den alten Zauberer Kling-
    sor! Er wird dich bewundern, er wird dich
    auswendig lernen, er wird dich malen, er
    wird das Lied deiner Jugend für immer
    aufzeichnen; aber er wird keine Wallfahrt
    um dich tun, keine Leiter nach dir steigen,
    keinen Mord um dich begehen und kein
    Ständchen vor deinem hübschen Balkon
    bringen. Nein, leider wird er dies alles
    nicht tun, der alte Maler Klingsor, das alte
    Schaf. Er wird dich nicht lieben, er wird
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    nicht den Blick nach dir werfen, den er
    nach der Asiatin, den er nach der Schwar-
    zen im Fenster warf, die vielleicht keinen
    Tag jünger ist als du. Für sie ist er nicht zu
    alt, nur für dich, Königin der Gebirge, rote
    Blume am Berg. Für dich, Steinnelke, ist er
    zu alt. Für dich genügt die Liebe nicht, die
    Klingsor zwischen einem Tag voll Arbeit
    und einem Abend voll Rotwein zu ver-
    schenken hat. Desto besser wird mein
    Auge dich trinken, schlanke Rakete, und
    von dir wissen, wenn du mir lang erloschen
    bist.«
    Durch Räume mit Steinböden und offenen
    Bogen kam man in einen Saal, wo barocke
    wilde Stuckfiguren über hohen Türen em-
    porflackerten und rundum auf dunklem
    Fries gemalte Delphine, weiße Rosse und
    rosenrote Amoretten durch ein dicht be-
    völkertes Sagenmeer schwammen. Ein
    paar Stühle und am Boden die Teile des
    zerlegten Flügels, sonst war nichts in dem
    großen Raum, aber zwei verlockende Tü-
    ren führten auf die zwei kleinen Balkone
    über dem strahlenden Opernplatz hinaus,
    und gegenüber über Eck brüsteten sich die
    Balkone des Nachbarpalastes, auch sie mit
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    Bildern bemalt, dort schwamm ein roter
    feister Kardinal wie ein Goldfisch in der
    Sonne.
    Man ging nicht wieder fort. Im Saale wur-
    den Vorräte ausgepackt und ein Tisch ge-
    deckt, Wein kam, seltener Weißwein aus
    dem Norden, Schlüssel für Heere von Er-
    innerungen. Der Klavierstimmer hatte die
    Flucht ergriffen, der zerstückte Flügel
    schwieg. Nachdenklich starrte Klingsor in
    das entblößte Saitengedärme, dann tat er
    leise den Deckel zu. Seine Augen schmerz-
    ten, aber in seinem Herzen sang der Som-
    mertag, sang die sarazenische Mutter, sang
    blau und schwellend der Traum von Ka-
    reno. Er aß und stieß mit seinem Glase an
    Gläser, er sprach hell und froh, und hinter
    all dem arbeitete der Apparat in seiner
    Werkstatt, sein Blick war um die Stein-
    nelke, um die Feuerblume ringsum wie das
    Wasser um den Fisch, ein fleißiger Chro-
    nist saß in seinem Gehirn und schrieb For-
    men, Rhythmen, Bewegungen genau wie
    in ehernen Zahlensäulen auf.
    Gespräch und Gelächter füllten den leeren
    Saal. Klug und gütig lachte der Doktor,
    tief und freundlich Ersilia, stark und unter-
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    irdisch Agosto, vogelleicht die Malerin,
    klug sprach der Dichter, spaßhaft sprach
    Klingsor, beobachtend und ein wenig
    scheu ging die rote Königin unter ihren
    Gästen, Delphinen und Rossen umher, war
    hier und dort, stand am Flügel, kauerte auf
    einem Kissen, schnitt Brot, schenkte Wein
    mit unerfahrener Mädchenhand. Freude
    scholl im kühlen Saal, Augen glänzten
    schwarz und blau, vor den lichten hohen
    Balkontüren lag starr der blendende Mittag
    auf Wache.
    Hell floß der edle Wein in die Gläser, hol-
    der Gegensatz zum einfachen kalten Mahl.
    Hell floß der rote Schein vom Kleid der
    Königin durch den hohen Saal, hell und
    wachsam folgten ihm die Blicke aller Män-
    ner. Sie

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