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Klingsors letzter Sommer

Klingsors letzter Sommer

Titel: Klingsors letzter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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und hell-
    violett. Schöner als alles waren die Men-
    schen, wie Blumen standen sie im Licht
    unterm Grün, wie ein riesiger Skarabäus
    leuchtete der smaragdne Sonnenschirm,
    Ersilias schwarzes Haar darunter, die
    weiße schlanke Malerin, mit rosigem Ge-
    sicht, und alle andern. Klingsor trank sie
    mit durstigen Augen, seine Gedanken aber
    waren bei Gina. Erst in einer Woche
    konnte er sie wieder sehen, sie saß in einem
    Büro in der Stadt und schrieb auf der Ma-
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    schine, selten nur glückte es, daß er sie sah,
    und nie allein. Und sie liebte er, gerade sie,
    die nichts von ihm wußte, die ihn nicht
    kannte, nicht verstand, für die er nur ein
    seltner seltsamer Vogel, ein fremder be-
    rühmter Maler war. Wie seltsam war das,
    daß gerade an ihr sein Verlangen hängen-
    blieb, daß kein anderer Liebesbecher ihm
    genügte. Er war es nicht gewohnt, lange
    Wege um eine Frau zu gehen. Um Gina
    ging er sie, um eine Stunde neben ihr zu
    sein, ihre schlanken kleinen Finger zu hal-
    ten, seinen Schuh unter ihren zu schieben,
    einen schnellen Kuß auf ihren Nacken zu
    drücken. Er sann darüber nach, sich selbst
    ein drolliges Rätsel. War dies schon die
    Wende? Schon das Alter? War es nur das,
    nur der Johannistrieb des Vierzigjährigen
    zur Zwanzigjährigen?
    Der Bergrücken war erreicht, und jenseits
    brach eine neue Welt dem Blick entgegen:
    hoch und unwirklich der Monte Gennaro,
    aufgebaut aus lauter steilen spitzen Pyra-
    miden und Kegeln, die Sonne schräg da-
    hinter, jedes Plateau emailglänzend auf tief
    violetten Schatten schwimmend. Zwischen
    dort und hier die flimmernde Luft, und
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    unendlich tief verloren der schmale blaue
    Seearm, kühl hinter grünen Waldflammen
    ruhend.
    Ein winziges Dorf auf dem Berggrat: ein
    Herrschaftsgut mit kleinem Wohnhaus,
    vier, fünf andere Häuser, steinern, blau und
    rosig bemalt, eine Kapelle, ein Brunnen,
    Kirschbäume. Die Gesellschaft hielt in der
    Sonne am Brunnen, Klingsor ging weiter,
    durch einen Torbogen in ein schattiges Ge-
    höft, drei bläuliche Häuser standen hoch,
    mit wenig kleinen Fenstern, Gras und Ge-
    röll dazwischen, eine Ziege, Brennesseln.
    Ein Kind lief vor ihm fort, er lockte es, zog
    Schokolade aus der Tasche. Es hielt, er fing
    es ein, streichelte und fütterte es, es war
    scheu und schön, ein kleines schwarzes
    Mädchen, erschrockene schwarze Tierau-
    gen, schlanke nackte Beine braun und glän-
    zend. »Wo wohnt ihr?« fragte er, sie lief zur
    nächsten Tür, die in dem Häusergeklüft
    sich öffnete. Aus einem finstern Steinraum
    wie aus Höhlen der Urzeit trat ein Weib,
    die Mutter, auch sie nahm Schokolade. Aus
    schmutzigen Kleidern stieg der braune
    Hals, ein festes breites Gesicht, sonnver-
    brannt und schön, breiter voller Mund,
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    großes Auge, roher süßer Liebreiz, Ge-
    schlecht und Mutterschaft sprach breit und
    still aus großen asiatischen Zügen. Er
    neigte sich verführend zu ihr, sie wich lä-
    chelnd aus, schob das Kind zwischen sich
    und ihn. Er ging weiter, zu einer Wieder-
    kehr entschlossen. Diese Frau wollte er
    malen, oder ihr Geliebter sein, sei es nur
    eine Stunde lang. Sie war alles: Mutter,
    Kind, Geliebte, Tier, Madonna.
    Langsam kehrte er zur Gesellschaft zurück,
    das Herz voll von Träumen. Auf der
    Mauer des Gutes, dessen Wohnhaus leer
    und geschlossen schien, waren alte rauhe
    Kanonenkugeln befestigt, eine launische
    Treppe führte durch Gebüsch zu einem
    Hain und Hügel, zuoberst ein Denkmal,
    da stand barock und einsam eine Büste,
    Kostüm Wallenstein, Locken, gewellter
    Spitzbart. Spuk und Phantastik umglühte
    den Berg im gleißenden Mittagslicht,
    Wunderliches lag auf der Lauer, auf eine
    andere, ferne Tonart war die Welt ge-
    stimmt. Klingsor trank am Brunnen, ein
    Segelfalter flog her und sog an den ver-
    spritzten Tropfen auf dem kalksteinernen
    Brunnenrand.
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    Dem Grat nach führte die Bergstraße wei-
    ter, unter Kastanien, unter Nußbäumen,
    sonnig, schattig. An einer Biegung eine
    Wegkapelle, alt und gelb, in der Nische
    verblichene alte Bilder, ein Heiligenkopf
    engelsüß und kindlich, ein Stück Gewand
    rot und braun, der Rest verbröckelt. Kling-
    sor liebte alte Bilder sehr, wenn sie ihm
    ungesucht entgegenkamen, er liebte solche
    Fresken, er liebte die Wiederkehr dieser
    schönen Werke zum Staub und zur Erde.
    Wieder Bäume, Reben, heiße Straße blen-
    dend, wieder eine Biegung: da war das
    Ziel, plötzlich, unverhofft: ein dunkler
    Torgang, eine große hohe Kirche aus ro-
    tem

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