Klingsors letzter Sommer
verschwand, kam wieder und hatte
ein grünes Brusttuch umgebunden. Sie
verschwand, kam wieder und hatte ein
blaues Kopftuch umgebunden.
Nach Tische, ermüdet und gesättigt, brach
man fröhlich auf, in den Wald, legte sich in
Gras und Moos, Sonnenschirme leuchte-
ten, unter Strohhüten glühten Gesichter,
gleißend brannte der Sonnenhimmel. Die
Königin der Gebirge lag rot im grünen
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Gras, hell stieg ihr feiner Hals aus der
Flamme, satt und belebt saß ihr hoher
Schuh am schlanken Fuß. Klingsor, ihr
nahe, las sie, studierte sie, fühlte sich mit
ihr, wie er als Knabe die Zaubergeschichte
von der Königin der Gebirge gelesen und
sich mit ihr gefüllt hatte. Man ruhte, man
schlummerte, man plauderte, man kämpfte
mit Ameisen, glaubte Schlangen zu hö-
ren, stachlige Kastanienschalen blieben in
Frauenhaaren hängen. Man dachte an ab-
wesende Freunde, die in diese Stunde ge-
paßt hätten, es waren nicht viele, Louis der
Grausame wurde herbeigesehnt, Klingsors
Freund, der Maler der Karusselle und Zir-
kusse, sein phantastischer Geist schwebte
nah über der Runde.
Der Nachmittag ging hin wie ein Jahr im
Paradiese. Beim Abschied wurde viel ge-
lacht, Klingsor nahm alles in seinem Her-
zen mit: die Königin, den Wald, den Palast
und Delphinensaal, die beiden Hunde, den
Papagei.
Im Bergabwandern zwischen den Freun-
den überkam ihn allmählich die frohe und
hingerissene Laune, die er nur an den selte-
nen Tagen kannte, in denen er freiwillig die
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Arbeit hatte ruhen lassen. Hand in Hand
mit Ersilia, mit Hermann, mit der Malerin
tanzte er die besonnte Straße hinab,
stimmte Lieder an, ergötzte sich kindlich
an Witzen und Wortspielen, lachte hinge-
geben. Er rannte den andern voraus und
versteckte sich in einen Hinterhalt, um sie
zu erschrecken.
So rasch man ging, die Sonne ging rascher,
schon bei Palazzetto sank sie hinter den
Berg, und unten im Tale war es schon
Abend. Sie hatten den Weg verfehlt und
waren zu tief gestiegen, man war hungrig
und müde und mußte die Pläne aufgeben,
die man für den Abend gesponnen hatte:
Spaziergang durchs Korn nach Barengo,
Fischessen im Wirtshaus des Seedorfes.
»Liebe Leute«, sagte Klingsor, der sich auf
eine Mauer am Wege gesetzt hatte, »unsre
Pläne waren ja sehr schön, und ein gutes
Abendessen bei den Fischern oder im
Monte d᾽oro würde gewiß mich dankbar
finden. Aber wir kommen nicht mehr so
weit, ich wenigstens nicht. Ich bin müde,
und ich habe Hunger. Ich gehe von hier aus
keinen Schritt mehr weiter als bis zum
nächsten Grotto, der gewiß nicht weit ist.
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Dort gibt es Wein und Brot, das genügt.
Wer kommt mit?«
Sie kamen alle. Der Grotto wurde gefun-
den, im steilen Bergwald auf schmaler Ter-
rasse standen Steinbänke und Tische im
Baumdunkel, aus dem Felsenkeller brachte
der Wirt den kühlen Wein, Brot war da.
Nun saß man schweigend und essend, froh,
endlich zu sitzen. Hinter den hohen Baum-
stämmen erlosch der Tag, der blaue Berg
wurde schwarz, die rote Straße wurde
weiß, man hörte unten auf der nächtlichen
Straße einen Wagen fahren und einen
Hund bellen, da und dort gingen am Him-
mel Sterne und an der Erde Lichter auf,
nicht voneinander zu unterscheiden.
Glücklich saß Klingsor, ruhte, sah in die
Nacht, füllte sich langsam mit Schwarz-
brot, leerte still die bläulichen Tassen mit
Wein. Gesättigt fing er wieder zu plaudern
und zu singen an, schaukelte sich im Takt
der Lieder, spielte mit den Frauen, witterte
im Duft ihrer Haare. Der Wein schien ihm
gut. Alter Verführer, redete er leicht die
Vorschläge zum Weitergehen nieder, trank
Wein, schenkte Wein ein, stieß zärtlich an,
ließ neuen Wein kommen. Langsam stie-
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gen aus den irdenen bläulichen Tassen,
Sinnbild der Vergänglichkeit, die bunten
Zauber, wandelten die Welt, färbten Stern
und Licht.
Hoch saßen sie in schwebender Schaukel
überm Abgrund der Welt und Nacht, Vö-
gel in goldenem Käfig, ohne Heimat, ohne
Schwere, den Sternen gegenüber. Sie san-
gen, die Vögel, sangen exotische Lieder, sie
phantasierten aus berauschten Herzen in
die Nacht, in den Himmel, in den Wald, in
das fragwürdige, bezauberte Weltall hin-
ein. Antwort kam von Stern und Mond,
von Baum und Gebirg, Goethe saß da und
Hafis, heiß duftete Ägypten und innig
Griechenland herauf, Mozart lächelte,
Hugo Wolf spielte den Flügel in der irren
Nacht.
Lärm krachte erschreckend auf, Licht
blitzte knallend:
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