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Klingsors letzter Sommer

Klingsors letzter Sommer

Titel: Klingsors letzter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Verwesung,
    voll Gott und Tod.«
    Mitten durch seine leisen Worte und durch
    die aufgewühlte trunkne Stunde klang tief
    und klar Ersilias Stimme, still sang sie das
    Lied vom bei mazzo di fiori vor sich hin,
    Friede strömte von ihrem Liede aus, Kling-
    sor hörte es wie von einer fernen schwim-
    menden Insel über Meere von Zeit und
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    Einsamkeit herüber. Er drehte seine leere
    Weintasse um, er schenkte nicht mehr ein.
    Er hörte zu. Ein Kind sang. Eine Mutter
    sang. War man nun ein verirrter und ver-
    ruchter Kerl, im Schlamm der Welt geba-
    det, ein Strolch und Luder, oder war man
    ein kleines dummes Kind?
    »Ersilia«, sagte er mit Ehrerbietung, »du
    bist unser guter Stern.«
    Durch steilen finstern Wald bergan, an
    Zweig und Wurzel geklammert, quoll man
    hinweg, den Heimweg suchend. Lichter
    Waldrand ward erreicht, Feld geentert,
    schmaler Weg im Maisfeld atmete Nacht
    und Heimkehr, Mondblick im spiegelnden
    Blatt des Maises, Rebenreihen schräg ent-
    fliehend. Nun sang Klingsor, leise, mit der
    etwas heiseren Stimme, sang leise und viel,
    deutsch und malaiisch, mit Worten und
    ohne Worte. Im leisen Gesang strömte er
    gestaute Fülle aus, wie eine braune Mauer
    am Abend gesammeltes Tageslicht aus-
    strahlt.
    Hier nahm einer der Freunde Abschied,
    und dort einer, schwand im Rebenschatten
    auf kleinem Pfad dahin. Jeder ging, jeder
    war für sich, suchte Heimkehr, war allein
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    unterm Himmel. Eine Frau küßte Klingsor
    zur guten Nacht, brennend sog ihr Mund
    an seinem. Weg rollten sie, weg schmolzen
    sie, alle. Als Klingsor allein die Treppe zu
    seiner Wohnung erstieg, sang er noch im-
    mer. Er besang und lobte Gott und sich
    selbst, er pries Li Tai Pe und pries den
    guten Wein von Pampambio. Wie ein
    Götze ruhte er auf Wolken der Bejahung.
    »Inwendig«, sang er, »bin ich wie eine Ku-
    gel von Gold, wie die Kuppel eines Do-
    mes, man kniet darin, man betet, Gold
    strahlt von der Wand, auf altem Bilde blu-
    tet der Heiland, blutet das Herz der Maria.
    Wir bluten auch, wir anderen, wir Irrge-
    gangenen, wir Sterne und Kometen, sieben
    und vierzehn Schwerter gehn durch unsre
    selige Brust. Ich liebe dich, blonde und
    schwarze Frau, ich liebe alle, auch die Phi-
    lister; ihr seid arme Teufel wie ich, ihr seid
    arme Kinder und fehlgeratene Halbgötter
    wie der betrunkne Klingsor. Sei mir ge-
    grüßt, geliebtes Leben! Sei mir gegrüßt,
    geliebter Tod!«
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    Klingsor an Edith
    Lieber Stern am Sommerhimmel!
    Wie hast Du mir gut und wahr ge-
    schrieben, und wie ruft Deine Liebe mir
    schmerzlich zu, wie ewiges Leid, wie ewi-
    ger Vorwurf. Aber Du bist auf gutem
    Wege, wenn Du mir, wenn Du Dir selbst
    jede Empfindung des Herzens eingestehst.
    Nur nenne keine Empfindung klein, keine
    Empfindung unwürdig! Gut, sehr gut ist
    jede, auch der Haß, auch der Neid, auch die
    Eifersucht, auch die Grausamkeit. Von
    nichts andrem leben wir als von unsern
    armen, schönen, herrlichen Gefühlen, und
    jedes, dem wir unrecht tun, ist ein Stern,
    den wir auslöschen.
    Ob ich Gina liebe, weiß ich nicht. Ich
    zweifle sehr daran. Ich würde kein Opfer
    für sie bringen. Ich weiß nicht, ob ich über-
    haupt lieben kann. Ich kann begehren, und
    kann mich in andern Menschen suchen,
    nach Echo aushorchen, nach einem Spiegel
    verlangen, kann Lust suchen, und alles das
    kann wie Liebe aussehen.
    Wir beide, Du und ich, im selben Irrgarten,
    im Garten unserer Gefühle, die in dieser
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    üblen Welt zu kurz gekommen sind, und
    wir nehmen dafür, jeder nach seiner Art,
    Rache an dieser bösen Welt. Wir wollen
    aber einer des andern Träume bestehen las-
    sen, weil wir wissen, wie rot und süß der
    Wein der Träume schmeckt.
    Klarheit über ihre Gefühle und über die
    »Tragweite« und Folgen ihrer Handlungen
    haben nur die guten, gesicherten Men-
    schen, die an das Leben glauben und kei-
    nen Schritt tun, den sie nicht auch morgen
    und übermorgen werden billigen können.
    Ich habe nicht das Glück, zu ihnen zu zäh-
    len, und ich fühle und handle so, wie einer,
    der nicht an morgen glaubt und jeden Tag
    für den letzten ansieht.
    Liebe schlanke Frau, ich versuche ohne
    Glück meine Gedanken auszudrücken.
    Ausgedrückte Gedanken sind immer so
    tot! Lassen wir sie leben! Ich fühle tief und
    dankbar, wie Du mich verstehst, wie etwas
    in Dir mir verwandt ist. Wie das im Buch
    des Lebens zu buchen sei, ob unsre Gefühle
    Liebe, Wollust, Dankbarkeit, Mitleid, ob
    sie mütterlich oder kindlich sind, das weiß
    ich nicht. Oft sehe ich

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