Klippen
kühlte aus, ich spürte nichts mehr, mein Gehirn war vollkommen flüssig, und der Mond zeichnete verwaschene, glänzende Streifen auf den schwarzen Hintergrund. Claire leistete mir manchmal Gesellschaft, und dann schliefen wir eng umschlungen in der völligen Finsternis des Holzverschlags, in dem das Tosen nur gedämpft zu hören war, trotzdem hüllte es alles ein, wiegte uns in den Schlaf umfing uns.
So vergingen die Jahre, im Herbst und Winter klapperte ich die Küste ab, berauschte mich am Wind, verlief mich auf den Wegen, kaute Kräuter und schlief in den Felsen, trank Whisky, während die Luft meine Haut hobelte, und schrieb Bücher, die sechs Monate später erschienen. Dann begann die Saison, und ich kehrte zu meiner Strandbude, zu meinen Sternennächten und meiner Nachtwache zurück, bei der nie etwas vorfiel. Manchmal kletterten ein paar Kerle aufs Dach, brachen Pärchen die Kabinen auf und verkrochen sich zum Vögeln darin, tauchten Jugendliche gegen Abend auf, blieben, bis geschlossen wurde, und suchten sich dann einen Platz am Strand, sie jonglierten mit brennenden Fackeln, erfüllten die Nacht mit den Klängen ihrer Djemben, rauchten Joints am Lagerfeuer, befummelten sich unter dicken Wolldecken, küssten sich gierig und gingen nackt baden. Nur einmal musste ich von meinem Baseballschläger Gebrauch machen, nur einmal erlebte ich, wie die Holzlatten unter dem Druck eines Brecheisens mit trockenem Krachen barsten und die Vorhängeschlösser aufsprangen. Bevor ich die Stelle antrat, hatte es einige Einbruchsversuche gegeben, und mein Vorgänger war mit gebrochener Nase im Krankenhaus gelandet, weil er sich geprügelt hatte, um ein paar belegte Brote, Getränke, tiefgefrorene Pommes frites, Kaffeemaschinen und Waffeleisen zu verteidigen. Die Typen drangen durchs Fenster ein, ich stand im Dunkeln und erwartete sie. Ich brauchte nur einmal auf gut Glück zuzuschlagen. Mein Knüppel traf ein Gesicht oder etwas anderes, Knochen knackten, jemand heulte auf und sie suchten das Weite. Ich brachte die restliche Nacht damit zu, den Schaden zu reparieren.
Ich liebe dieses Leben mit seinen Familiensommern, den proppenvollen Stränden, den mechanischen Gesten und lächelnden Gesichtern. Ich liebe es, wenn alle glücklich und entspannt wirken, wenn Finanzdirektoren und bissige kleine Abteilungsleiter nackt zusammen Ball spielen oder Sandburgen bauen, die von der Flut oder kleinen Kindern im Handumdrehen wieder zerstört werden. Ich liebe es, morgens die Familien zu beobachten, die sich auf der Suche nach Muscheln über den Sand beugen und deren kleinste Mitglieder mit Fangnetzen und Stiefeln ausgerüstet sind. Ich liebe es, abends im goldenen Licht und später in der hereinbrechenden Dunkelheit jungen oder älteren Pärchen zuzusehen, wie sie Hand in Hand über den glatten, glänzenden Sand gehen, eine Zigarette rauchen und dabei zum Himmel aufblicken, flanieren und eine Gestik, eine Eleganz und ein Lächeln an den Tag legen, die sie nirgendwo sonst haben. Ich liebe die Abende mit ihren Feuerwerken, den überfüllten Strand und die kleinen Kinder mit ihren Lampions, die Knallfrösche und die Menschenmenge, die sich darum drängt, bedient zu werden. Ich liebe den fahlen Morgen mit seinem den Vögeln überlassenen Strand und diesen Kerl, der vom Fremdenverkehrsamt dafür bezahlt wird, dass er mit den Füßen im Wasser Dudelsack spielt. Ich serviere ihm bis mittags ein Glas Weißwein nach dem anderen, und während er trinkt, kommentiert er das Tagesgeschehen.
Ich liebte diese Sommer, und es war im dritten, ein paar Monate, bevor Claire schwanger wurde. Sie waren zu zehnt, nähere oder entferntere Cousins und Cousinen, und tauchten gegen frühen Abend auf Sie waren zwischen zwölf und sechzehn Jahren alt, tranken Kaffee oder Bier, das ich ihnen mit komplizenhaftem Zwinkern servierte, und ließen sich in der Nähe des Mickey-Clubs nieder, abends an dem aus vier Latten bestehenden hellen Holzzaun und den Rutschen zu erkennen, die die Kinder nach Spaziergängen erstürmten. Sie hielt sich ein wenig im Hintergrund, trug immer schwarze, für die Jahreszeit zu dicke Pullover, in denen sie ihr Kinn vergrub. Sie war fünfzehn oder sechzehn und hatte pechschwarzes, sehr glattes Haar. Ein sonderbares, schroffes Mädchen, undurchschaubar und wild. Sie warf mir dunkle, eindringliche Blicke zu, und ihr kleines Gesicht wirkte ausgesprochen ernst und anziehend. Die Augen stark geschminkt, die Lippen schmal, kam sie immer, kurz bevor
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