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Klippen

Klippen

Titel: Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Adam
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vergessen habe, der Tod unserer Mutter und Laetitias Körper, das Gewehr, das Nicolas sich in seinem sechzehnten Lebensjahr in den Mund steckte. Und wie Balsam, der sich auf alles legt, tauchte dann immer meine Großmutter auf, ihre Kreuzzeichen und ihre Küsse auf die Stirn, die selbst gehäkelten bunten Decken und Kissen, eine dicke blaue Blume inmitten von Orange, die Flaschen, die sie in Wollkleider steckte und in Hunde, Katzen oder Menschen verwandelte, der Balkon ihrer Wohnung, auf dem wir uns über Bäume, Eichhörnchen und winzige Passanten beugten, die Fotos von ihrem Mann auf dem Büfett, wo sich Gefäße aus Billigkristall auf scheußlichen Zierdeckchen aneinanderreihten, ihr flackernder Blick, in dem eine abgrundtiefe Güte lag, Gottesfurcht Mitgefühl Barmherzigkeit, unsere Ballspiele im Park, ihre gerunzelte Stirn, wenn sie unsere Hausaufgaben durchsah, von denen sie nicht das Geringste verstand, unsere Schritte im winterharten Wald, der Sarg, den er im Loch hatte verschwinden sehen, und ich war nicht da, ihre Stimme, die uns in einem dämmrigen Zimmer Geschichten vorlas, die schwarze, vom vielen Lesen abgegriffene kleine Bibel, das Kruzifix über ihrem Bett, das wir manchmal vom Haken nahmen und mit den Händen umklammerten, wenn wir vor ihr standen und sie sagte, sie wolle sich einfach nur ausruhen, obwohl wir wussten, dass sie an einer tödlichen Krankheit litt, von der sie jedoch nichts wusste (vielleicht gab sie aber auch nur vor, nichts davon zu wissen), sie sprach dann endlos und mit einem phantastischen Leuchten in den Augen (von dem ich heute glaube, es rührte von der Verheißung her, endlich in den Himmel zu kommen) von den Sommern, die noch folgen würden, von den Spielen auf der Wiese, Federball, Boules und Krocket inmitten der Gänseblümchen oder im Schatten einer Ulme, oder von ihrem Vorhaben, uns das Land der hohen Klippen und kreisenden Vögel zu zeigen; wir nickten mit gequältem Lächeln, das niemanden täuschen konnte. Ich war acht, als sie ihr Leben aushauchte, Antoine zehn, und in jenem Jahr öffnet sich mein Gedächtnis. Das am weitesten zurückliegende Bild, das sich darin eingeprägt hat, hat mit ihr zu tun, doch sie selbst fehlt darauf ist bereits tot und begraben. Meine allererste Erinnerung ist ein gestohlener Augenblick, ein Eindringen. Ich ließ meine Hausaufgaben liegen, Papiere und Hefte unter der Lampe auf dem kleinen Schreibtisch aus hellem Holz, der dicht an der Heizung stand (auf der anderen Seite des Fensters ein aus Kalkstein erbautes Haus mit orangefarbenen Ziegeln, auf dessen Dach sich eine Maske abzeichnet, ein Gesicht, das mir lange Zeit schreckliche Angst einjagte), ging aus dem Zimmer und drehte im Vorbeigehen wie so oft den Globus, mechanisch, ohne ins Träumen zu geraten. Im stillen Haus, bestimmt war mein Vater nicht da, knarrten die Treppenstufen unter meinen Schritten. Meine Mutter wirkte verloren inmitten der von einer Neonröhre erhellten Küche, sie weinte leise vor sich hin. Vor sich drei Töpfe auf dem Herd, stand sie da, schwankte vor und zurück und kaute an ihren Nägeln. Es waren die Tage der Beerdigung und der geschlossenen Fensterläden. Ich stand im Türrahmen, und sie forderte mich mit einem Wink auf, näher zu kommen. Die Schminke in ihrem aufgelösten Gesicht war zu langen Schlieren verlaufen. Ich rutschte auf meinen Socken über die beigen Fliesen. Mitten im Geruch nach Suppe und Lauch und dem Pfeifen der Ventile nahm sie mich in den Arm, und ich glaube, ich weinte, um ihr Gesellschaft zu leisten, um ihr zu zeigen, dass ich da war, bei ihr, egal, was passierte. Obwohl meine Augen geschlossen waren, wurden meine Wangen feucht, ich schniefte und presste mich zitternd an ihren bereits mageren Körper. Nach einer Weile richtete sie sich auf, trocknete Augen, Nase und Mund an ihrem zu weiten Kleid und bat mich um Verzeihung. Noch heute überlege ich, was ich darauf hätte antworten sollen, ich weiß nicht, was ich ihr verzeihen sollte, ich hatte keine Ahnung, dass eine Mutter ihren Sohn eines Tages um Verzeihung bitten könnte.
     
     
     
     
    Wir blieben drei Nächte in Étretat. Mein Vater hatte im Hotel des Corsaires zwei Zimmer reserviert, aber wir benutzten nur eins. Vielleicht war es die Nummer 103, anders eingerichtet, aber geräumig und mit einem Balkon, auf dem man sich an der frischen Luft ausstrecken konnte.
    In der ersten Nacht schliefen mein Bruder, meine Mutter und ich im Doppelbett. Mein Vater begnügte sich mit einem der

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