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Klippen

Klippen

Titel: Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Adam
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lange so da, und ich trank die Whiskyflasche leer. Im letzten Lichtschein einer ersterbenden Kerzenflamme, beim letzten Nocturne einer Platte von Chopin döste ich ebenfalls ein.
    Als ich aufwachte, war sie nicht mehr da, und ich lag im Halbdunkel der zugezogenen schweren Vorhänge nackt unter einer Wolldecke. Ich blickte mich um, erinnerte mich an nichts. Ich hustete lange, bevor ich ihren Namen sagen konnte. Ich wiederholte ihn mehrmals, aber es antwortete niemand. Mein Kopf war tonnenschwer. Ich hörte, wie sich ein Schlüssel in der Wohnungstür drehte und das Schloss aufschnappte. In Windeseile raffte ich meine Sachen zusammen und tappte, in die orangefarbene Decke gewickelt, zur Küche. Kurz bevor ich die Wohnung verließ, hörte ich die Stimme meines Vermieters, der sich darüber wunderte, bei seiner Rückkehr ein solches Durcheinander vorzufinden. Auf dem Flur begegnete ich meinem russischen Nachbarn. Als er mich halb nackt sah, brach er in schallendes Gelächter aus. Ich schloss meine Tür in dem Augenblick, als er mich fragte, ob ich es mit dem Vermieter oder seiner Tochter getrieben hatte.
    An diesem Tag rief ich im Café an und meldete mich krank. Der Wirt sagte nichts. Er sagte nie etwas und ließ mir alles durchgehen, weil ich ihn angeblich an seinen Sohn erinnerte. Ich schlief bis zum Nachmittag, und Léas Gesicht und Körper gingen mir nicht eine Sekunde aus dem Sinn. Beim Aufwachen presste ich das Ohr an die Wand. Ich hörte ihre Stimme. Sie war nicht allein. Ein Kerl sagte ein paar Worte, die ich nicht verstand. Dann steigerten sich wie üblich sein Atem und ihre leisen Schreie. Es dauerte nicht lange, und als er kam, weinte ich. Ich öffnete die Tür ein kleines Stück, setzte mich auf den Teppichboden und drückte das Auge an den Spalt. Nach ein paar Minuten ging ein Mann um die vierzig vorbei. Leise schloss ich die Tür. Ich erinnere mich noch, dass ich mindestens zwei Stunden mit dem Kopf zwischen den Händen dort hockte. Der Wasserhahn tropfte. Ich hatte nicht die Kraft aufzustehen.
     
     
     
     
     
     
    Danach waren Léa und ich unzertrennlich. Wir trafen uns unregelmäßig und planlos. Sie klopfte manchmal an die Wand, und ich antwortete immer. Mehrmals versuchte ich mein Glück, indem ich meinerseits klopfte, erhielt aber nie eine Antwort. Ich sagte ihren Namen, rief nach ihr, aber sie reagierte nicht.
    Wenn sie mir ein Zeichen gab, verließ ich mein Zimmer und ging zu ihr hinüber, sie ließ die Tür angelehnt. Ihre Großmutter starrte mich mit ihren zwanzig Jahren und ihrer alabasterhaften Schönheit, von ihrem Schicksal nichts ahnend, aus all ihren Augen an. Mir war, als blicke die Schande auf mich herab, die Schrecken der Welt und ihre barbarische Verfinsterung drückten mich nieder. Ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden, sie sah Léa trotz der altmodischen Frisur und der Kleider aus der Vorkriegszeit so ähnlich. In den Regalen standen Kerzen in allen Farben und Größen. Ich betrat ihr Zimmer wie eine Kapelle. Die Vorhänge waren mitten am Tag zugezogen, das Zimmer in orangefarbenes Licht getaucht. Ich setzte mich aufs Bett, Léa hockte mir gegenüber im Schneidersitz auf dem Teppich und führte eine brühend heiße Tasse Tee an die Lippen. Auf ihrem Schreibtisch stapelten sich Rechts-und Hebräischbücher, brannten Räucherstäbchen und schlummerte ein schwarzer Kater. Sie ließ ihn manchmal hinaus, und schon ein paar Mal war ich auf der Treppe oder im dunklen Flur fast auf ihn getreten. Er miaute scheu und hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sein Geschäft vor meiner Tür zu verrichten. Am liebsten hätte ich seinen Schädel geöffnet und sämtliche Bilder von Léa herausgeholt, die er darin aufbewahrte. Ihr über das trockene französische Recht gebeugtes Gesicht, ihre im Schlaf geschlossenen Augen, ihr leicht hin und her wackelnder Kopf beim Musikhören, ihre geheimnisvolle Worte, Bitten Jubelrufe ausstoßenden Lippen, ihr stöhnender Mund beim Vögeln.
    Wir hatten feste Gewohnheiten. Wenn der Tag sich neigte, legte sie eine Platte nach der anderen auf, jiddische, ungarische oder Zigeunerlieder, denen wir, den Rücken an ihr Bett gelehnt und die Beine auf dem indischen Teppich ausgestreckt, andächtig lauschten. Manchmal verzerrte sich ihr Mund aus rätselhaften Gründen. Dann stellte sie die Musik leiser und fragte mich, wie weit ich sei. Ich erzählte ihr von dem Kapitel, das ich gerade geschrieben hatte, oder sprach mit ihr über meine Unentschlossenheit oder die

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